Dienstag, 11. April 2017

Time flies

Heute sind es nur noch zwei Wochen und ein paar Tage, bis ich im Flieger zurück nach Europa sitze. Und während ich oft das Gefühl hatte, dass jede Sekunde in der Geschwindigkeit einer Stunde vergeht, rennt die Zeit jetzt plötzlich schneller davon als ich, wenn ich eine Wespe sehe. (Also echt ganz schön schnell...)
Die 25° Celsius wurden zum
Lesen in der Sonne genutzt :)
In den letzten Tagen hat endlich der Frühling in Michigan eingesetzt... dachte ich jedenfalls. Während es vor ein paar Tagen noch 5° Celsius kalt war, war es einen Tag später mit 25° Celsius plötzlich Kurze-Hosen-Wetter. Heute, wieder einen Tag später, ist allerdings wieder Winterjacke angesagt. Ich kenne wirklich keinen Ort auf der Welt, an welchem man sich so wenig auf das Wetter verlassen kann! :D Aber es ist auf jeden Fall schön, zwischendurch mal ein paar schöne Tage zu haben! :)
In den letzten Wochen bin ich nun dabei, schon einmal die Dinge auszumisten, die ich nicht mit nach Deutschland nehmen möchte und die letzten Arbeiten zu erledigen. Vor allem bedeutet das gerade: Hausarbeit schreiben. In meinem Kurs Global Political Economy habe ich das Thema "Protektionismus [in US-Amerika]" ausgewählt und bin gerade voll und ganz in der Materie. Es klingt vielleicht sterberhaft, aber mir macht das Schreiben der Arbeit richtig Spaß, da das Thema aktueller nicht sein könnte und mich Präsident Trumps Politik schließlich mein ganzes Auslandsjahr begleitet und meine Emotionen und mein Gerechtigkeitsgefühl Achterbahn fahren lassen hat.
Dieser Kurs ist wirklich eines der besten Dinge, die mir am Hope College passieren konnten. Ich habe das Gefühl, dass ich bisher in wenigen Kursen meiner schulischen Laufbahn je so viel und umfassend über Politik und politische Geschichte gelernt habe. Mein Professor ist wirklich ein guter Dozent, der zwar oft mit seinen Aussagen provoziert, es so aber schafft, mich dazu zu bringen, mein ganzes Weltbild in Frage zu stellen. Genau solche Professoren braucht Amerika (aber natürlich auch jedes andere Land): Professoren, die dazu anregen, die Welt kritisch zu sehen, die einen dazu zwingen, sich eine eigene Meinung zu bilden, aber einem auch Bewusstheit dafür vermitteln, dass Meinungen vielfältig sind und "richtig" und "falsch" bloß davon abhängen, in welchem Licht man die Dinge beleuchtet.
Downtown Holland - Menschen, die "Gilmore
Girls" geschaut haben, würden es vielleicht
mit Stars Hollow verwechseln...
Damit wären wir auch bei einer Sache, die ich tatsächlich am Hope College vermissen werde. Obwohl ich viele Kurse aufgrund fehlenden Weitblickes eher kritisch sah, wird mir dieser Kurs sehr fehlen. Das Sozialleben am Hope College hat mich zwar nie so wirklich mitgerissen, aber es gibt Dinge, die ich hier habe, die ich in Deutschland nicht haben werde. 
Dazu gehört auch mein Job, der mir hier wirklich ans Herz gewachsen ist und geradezu zu einer "inneren Mission" für mich geworden ist. Ich habe wirklich bemerkt, dass ich bei meinen Klassen im Hinblick auf Allgemeinwissen Spuren hinterlasse. Ich bin wirklich dankbar, dass mir mein "Boss", also der Deutschprofessor, die Möglichkeit gegeben hat, den Unterricht so zu gestalten. Deutsch unterrichten ist die eine Sache, aber den Schülern/Schülerinnen einen Zugang zu Dingen zu geben, über die sie im Alltag vielleicht nicht so oft nachdenken, ist super. Das soll nicht überheblich klingen - es ist nur eben einfach kein besonders großer Bestandteil des amerikanischen Schulsystems, Blicke über die Landesgrenzen hinaus zu wagen. Und das liegt nicht etwa an einer "Null-Bock"-Haltung der Studierenden, sondern einfach an der Gewohnheit im eigenen Rahmen zu bleiben. Bei meinen Klassen konnte ich deutlich sehen, dass man nur ihre Aufmerksamkeit auf das Weltgeschehen lenken muss, damit sie plötzlich Interesse und Eigeninitiative entwickeln. Aber auch wenn es nicht um Diskussionen oder kritisches Denken ging, hat es Spaß gemacht, die Stunden vorzubereiten und (meistens ;)...) auch sie durchzuführen.
Bei der Schnitzeljagd sollte Europa oder ein europäisches Land
als Standbild dargestellt werden: Diese Gruppe hat den
Brexit dargestellt :D
Heute zum Beispiel habe ich meine SchülerInnen auf eine Schnitzeljagd zum Thema Europa/EU geschickt, die ich zuvor selbst geplant und erstellt hatte. Die Klasse hatte sichtlich Spaß an der Schnitzeljagd und hat mir das danach auch noch einmal gesagt, was meinen Tag gleich ein bisschen schöner gemacht hat. :) 
Zwischendurch war ich manchmal etwas deprimiert, wenn meine SchülerInnen nicht so gut auf den Unterricht ansprangen, wie ich mir das vorgestellt hatte, aber dieses Jahr hat mir im Bezug auf Lehrmethodik, Organisationsvermögen und Kreativität auf jeden Fall unglaublich viel gebracht. Manchmal musste ich hier wirklich hartnäckig sein, um zu erreichen, was ich wollte, aber gerade das gibt mir jetzt ein Gefühl dafür, was ich alles schaffen kann, wenn ich mich dafür einsetze - und der Weg zu diesem Gefühl ist eine unbezahlbare Erfahrung! :)