Dienstag, 20. Dezember 2016

Los Angeles, du bringst Sonne in mein Herz

Santa Monica Pier
Nachdem ich Utah verließ, führte mich mein Weg nach Los Angeles. Aus dem Flugzeug sah ich bereits, welch riesiges Ausmaß diese Stadt haben musste: Die Lichter am Boden nahmen einfach kein Ende. Trotz der Größe der Stadt gibt es aber nur sehr spärlichen öffentlichen Verkehr, was mir erst so richtig bewusst wurde, als ich am Flughafen in L.A. ankam und ich keine gute Verbindung zu meinem Hostel finden konnte. Kurzentschlossen nahm ich mir dann ein Uber, welches von nun an mein Dauertransportmittel werden sollte. Für die, die es nicht wissen: Uber ist eine App, mit der man eine Art privates Taxi anfordern kann. Es sind praktisch Privatpersonen, die sich einfach in die App einlinken können und dann Taxi spielen. Die Bezahlung läuft direkt über die App per Kreditkarte.
Eine Extra-Option bei Uber nennt sich "Pool": Diese Option bietet an, dass man sich die Fahrt mit anderen Menschen teilt, die in die gleiche Richtung fahren wollen. Dabei lernt man in der Regel unglaublich viele Leute kennen und es macht Spaß, sich mit dem Fahrer und den Mitfahrern zu unterhalten. Durchschnittlich wartet man gerade mal fünf Minuten auf ein Uber, weil es (zumindest in LA) sehr viele von diesen gibt.
Angekommen in meinem Hostel, war ich dann erst einmal etwas enttäuscht. Während ich bisher nur gute Erfahrungen mit Hostels gemacht habe, war mein Hostel in LA recht dreckig und bot wenige Möglichkeiten, die anderen Hostel-Bewohner kennenzulernen. Die Lage war dafür super: Mein Hostel lag direkt auf dem Walk of Fame - so zentral, dass ich sobald ich einen Fuß aus der Tür setze, auf einem Stern stand. Und wieder für die, die es nicht wissen: Der Walk of Fame ist eine ewig lange Straße, die sich durch Hollywood zieht. Auf dem Boden reihen sich dabei Sterne, welche Künstler (Schauspieler, Sänger, Comedians,...) auszeichen, die besonders gewertschätzt werden. Der Walk of Fame ist das Zentrum Hollywoods. Zumindest über die Lage des Hostels kann ich mich also absolut nicht beklagen.
Der atemberaubende Blick vom Griffith Park. Liebe.
Da es - wie gesagt - schwierig war, Leute in dem Hostel kennenzulernen, erkundete ich die Stadt auf eigene Faust. Darunter fuhr ich durch die Hollywood Hills, wo ich dann auch direkt Christina Aguilera im Auto zu Gesicht bekam und fuhr anschließend nach Santa Monica. Beides gefiel mir sehr gut. Besonders Santa Monica, was direkt am Strand liegt, hat mich aber besonders begeistert. Junge Musiker, die auf dem Pier versuchen den American Dream zu leben, der Pazifische Ozean und viele kleine Bars in den Straßen machen die Gegend einfach schön.
Als ich dann von Santa Monica zum Hostel zurückkehren wollte, nahm ich wieder ein Uber. Der Fahrer, Steve, war dieses mal nur wenig älter als ich und wir verstanden uns so gut, dass wir die ganze Fahrt über lachten und redeten. Wegen des stockenden Verkehrs saßen wir ca. 1,5 Stunden zusammen im Auto und kamen irgendwann zum Thema "was ich unbedingt mal machen will". Ich erzählte, dass ich schon immer mal mit einer Pistole oder einem Gewehr schießen wollte. Er erzählte mir dann, dass sein Kumpel mehrere Waffen hätte und er mich am nächsten Tag zu einer Schießbahn mitnehmen könnte. Ich, die schon total enttäuscht war, keine coolen Leute im Hostel getroffen zu haben, war total begeistert. Kurz entschlossen sagte ich also zu.
Ebenfalls im Griffith Park (Hollywood Sign)
Am nächsten Tag schaute ich mir aber erst einmal weiter Los Angeles an. Ich fuhr zu den Universal Studios. Ich schaute mir aber nur das Drumherum an, weil der Eintritt in die Studios bei 130 Dollar anfängt und ich mir das nicht leisten konnte. Es hat sich aber trotzdem gelohnt, weil auch die ganze Umgebung wie ein Märchenland aussieht. Danach fuhr ich in den Griffith Park, zum Griffith Observatory, welches in den Hollywood Hills liegt. Ich hatte das seltene Glück, dass der Himmel kein bisschen bewölkt war und ich einen freien Blick über ganz L.A. und bis zum Hollywood-Zeichen hatte. Ich kam während des Sonnenuntergangs dort an. Als ich dort oben stand und diesen wunderschönen Blick hatte, raubte mir die Welt für einen kurzen Moment den Atem. Es war einer dieser Momente, in denen man das Leben einfach wertzuschätzen weiß. Einer dieser Momente, von denen man genau weiß, dass man sich für immer daran zurückerinnern wird, wie man als kleines, unbedeutendes Persönchen dort oben in den Hollywood Hills stand und überwältigt davon war, wie schön die Welt eigentlich ist. Mit all den schlimmen
Legt euch nicht mit mir an. Ich weiß jetzt,
wie man eine Waffe benutzt... Haha
Dingen, die zurzeit in der Welt passieren, vergisst man nämlich manchmal, dass wir es sind, die die Welt mit unserem Hass, unserer Gier und der Gewalt gegen Menschen hässlich machen. Und in diesem Moment wurde ich einfach daran erinnert, dass die Welt selbst, also das was sie uns ganz grundlegend bietet, beinahe magisch ist. Und ich bin froh, dass ich auf meiner Reise solche Momente erleben darf.
Abends war ich dann mit Steve verabredet. Er schickte mir dir Adresse und ich machte mich auf den Weg. Die Schießbahn befand sich in einem Industriegebiet in Los Angeles. Mit jedem Meter den ich mich dem verabredeten Ort näherte, zweifelte ich mehr, ob es wirklich gut war, sich mit einem nahezu Fremden und seinem Kumpel zum Schießen zu treffen. Aber auf der anderen Seite hatte ich mich mit Steve so gut verstanden, dass ich Vertrauen hatte.
Und dieses Vertrauen wurde belohnt. Als ich ankam stand dort nicht nur Steve, sondern auch seine feste Freundin Alisha und sein Kumpel Michael. Alle drei waren super cool drauf und zeigten mir, wie ich mit der Pistole umgehen musste. Zugegeben, es kostete mich viel Überwindung abzudrücken, aber als ich es dann tat, hatte ich einen Adrenalinkick und fing an zu lachen. Ich hätte nicht erwartet, dass eine Pistole so schwer ist. In der zweiten Runde schoss ich dann mit einer größeren Waffe, stolperte zurück und fiel beinahe um als ich abdrückte, weil ich auf einen solchen Rückstoß nicht gefasst war. Die drei anderen hatten auch ihren Spaß dabei, mir (als blutige Anfängerin mit einer Waffe in der Hand) zuzusehen. (Für die gleiche Erfahrung: Siehe Video weiter unten)
Von rechts nach links:
Steve, Alisha, Michael, ich
Nachdem wir dann ein paar Runden geschossen hatten, gingen wir alle zusammen Pizza essen und anschließend noch in einer Bar. Ich bin so glücklich dieses Uber in Santa Monica genommen zu haben und somit Steve und im weiteren Sinne auch Alisha und Michael kennengelernt zu haben. Der Abend war unglaublich lustig und ich hatte am nächsten Tag sogar ein bisschen Muskelkater in den Armen (vom Schießen) und ein bisschen Muskelkater in den Wangen (vom Lachen).
Ich weiß, dass man vorsichtig sein muss, wenn man allein reist und das bin ich im Großen und Ganzen auch. Aber man muss manchmal eben auch seinem Bauchgefühl vertrauen und einfach machen. Wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich niemals so tolle Leute kennengelernt und einen so witzigen, verrückten Abend erlebt! Nichts macht mir beim Reisen mehr Spaß, als Menschen kennen zu lernen und einfach das Leben zu genießen, ohne immer vernünftig und durchgeplant zu sein. Mein Schlüssel zum Reisen ist das Motto "Mach einfach!"
Am nächsten Morgen hieß es dann leider bereits "Bye bye, Los Angeles". Meine nächster Stopp ist dann südlich von Los Angeles, in San Diego. Ich bin traurig Los Angeles schon zu verlassen - mir hat die Stadt und auch die Natur (Berge, warmes Wetter, Meer) unglaublich gut gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass in dieser Stadt einfach alles möglich ist. Zwischenzeitlich machte ich sogar Überlegungen, meinen Aufenthalt zu verlängern. Aber San Diego soll auch wunderschön sein und wie oft werde ich schon noch im Westen der USA sein? Dieser Aufenthalt war (abgesehen vom Hostel) aber ein voller Erfolg. Wer weiß, vielleicht führt mich mein Weg ja irgendwann noch einmal zurück nach Kalifornien...
Aber jetzt erst einmal: Hallo San Diego!


Ich beim Schießen #Gangster 



Samstag, 17. Dezember 2016

Salt Lake City, Utah

Mary und ich bei den Christmas Lights in
Downtown Salt Lake City
Das erste Semester am Hope College ist endlich geschafft! Somit ist bereits die Hälfte der Zeit meines Auslandaufenthaltes rum - die erste Zeit verging nun doch schneller als gedacht. Ich war aber überglücklich, dass der ganze Lernstress vorerst vorbei ist und ich vier Wochen Semesterferien habe.
Über Weihnachten fahre ich nicht - so wie alle anderen Internationals - nach Hause, sondern nutze die Zeit zum Reisen. Gerade in der Weihnachtszeit ist es ganz besonders schwer von meiner Familie und meinen Freunden getrennt zu sein. Schließlich habe ich nun schon eine sehr lange Zeit ohne meine Liebsten verbracht und manchmal ist es schwer auf dieses ganze Familienleben zu verzichten. Umso glücklicher war ich dann, als ich bei meinem ersten Stopp der großen Reise ankam: Salt Lake City in Utah. Hier habe ich meine frühere Gastfamilie besucht, bei der ich zwei Monate lang gelebt habe, als ich 14 Jahre alt war. Ich hatte Angst, dass es komisch werden würde - schließlich hatten wir uns sieben ganze Jahre nicht mehr gesehen. In dieser Zeit hat sich alles geändert: Meine Gastschwester ist ausgezogen und sogar bereits verheiratet, meine Gastbrüder sind so gut wie erwachsen
 und ich bin schließlich auch nicht mehr 14.
Diese Angst hat sich dann aber als absolut unbegründet herausgestellt. Ab der ersten Sekunde war es einfach nur schön. Ich habe bei meiner Gastschwester Mary geschlafen. Während wir uns damals (Pubertät!) sogar manchmal angezickt haben, haben wir uns dieses mal unglaublich gut verstanden. Wir haben die ganze Zeit gelacht, DVD-Abende gemacht, Kekse gebacken und waren shoppen: Der perfekte Kurztrip.
Marys Ehemann war an dem Wochenende nicht zu Haus, sodass sich das ganze Haus in ein einziges Mädelsparadies aus Glitzernagellack und Lockenstäben verwandelt hat. Mary ist Friseurin / Makeup-Artistin und hat mir nicht nur meine Nägel gemacht, sondern mir auch eine neue Haarfarbe verpasst (naja, jedenfall ombré).
Meine Gast-Tante und ihre Großfamilie, mit denen ich mich schon früher sehr gut verstanden habe, haben inzwischen ein Kind mehr. Als ich zur Tür hereinkam, habe ich mich direkt wohl gefühlt. Dieses liebenswerte Familien-Chaos hat mir einfach gefehlt. Meine Gasteltern haben mich zum Essen eingeladen und mir sogar ein Weihnachtsgeschenk gemacht - so süß! Außerdem waren wir Downtown bei den Christmas-Lights, die (typisch Amerika) übertrieben, aber prachtvoll und wunderschön waren.
Zugegeben: Der gigantische Jesus ist etwas...
gewöhungsbedürftig, aber die Menschen darunter sind
Schätze!!
Generell muss ich sagen, dass ich Salt Lake City viel weniger schön in Erinnerung hatte, als ich es mittlerweile empfinde. Verglichen zu dem nächst größeren Ort bei meinem College ist es wirklich tausend mal schöner! Schon alleine die Berge (eine Seite davon sind die Rocky Mountains) sind atemberaubend und ansonsten ist die Stadt einfach sehr organisiert und sauber - in Grand Rapids, Michigan sieht dagegen alles eher zusammen gewürfelt und manchmal unschön aus.
Diese vier Tage waren insgesamt einfach sehr entspannt, ganz nach dem Motto: Nichts muss, alles kann. Wir haben einfach viel Zeit mit der Familie verbracht, gequatscht, Weihnachtsfilme zusammen geschaut und mit den Kindern gespielt. Die ganze Familie ist total verrückt nach Hunden, was für mich natürlich das Paradies auf Erden war. Es ist nur schwer zu beschreiben, wie sehr mir dieses warme Gefühl einer Familie gefehlt hat. Obwohl es nicht meine Familie ist, hatte ich das Gefühl Teil von ihnen zu sein und habe mich einfach nur wohl und willkommen gefühlt. Eventuell fliege ich über Ostern nochmal nach Utah - Eingeladen bin ich jedenfalls :)
Jetzt heißt es aber erst einmal: Auf nach Los Angeles und danach quer durch den Westen der USA. Nach Weihnachten kommt dann meine Familie zu Besuch, worauf ich mich wie wild freue. Und vor allen Dingen genieße ich jetzt erst einmal die freie Zeit ohne die ganze Arbeit im College! :)

Freitag, 2. Dezember 2016

Oh Kanada ❤

Internationales Team :P
Ich dachte immer, dass mein Studium in Deutschland stressig sei. Ich habe mich häufig darüber beschwert, den ganzen Tag in der Bibliothek verbracht zu haben. Ich nehme alles zurück. Am College verbringe ich nämlich gefühlt Tag und Nacht mit Lernen und Arbeiten und am Ende des Tages ist der Berg an Aufgaben immer noch nicht kleiner. Kein Wunder also, dass ich sehnsüchtig den Thanksgiving-Ferien entgegen fieberte. Ich hatte das Angebot, mit meinen Gasteltern (mit denen ich aber noch nie etwas unternommen habe), 12 Kindern und acht Katzen Thanksgiving zu feiern. Ich habe mich über das Angebot auch wirklich gefreut, schließlich ist es cool, das ganz traditionelle Thanksgiving-Essen zu erleben. Allerdings wollte ich die Zeit lieber nutzen, um zu reisen. Außerdem haben Katzen und ich nicht die beste Beziehung zueinander. :P 
Also beschlossen Bea (spanische Teaching Assistant), ihre Mitbewohnerin Andrea und ich, die fünf Tage für einen Roadtrip nach Kanada zu nutzen. Das Thanksgiving-Essen war trotzdem drin, weil wir uns entschieden, uns ein schickes Essen in Ann Arbor, einer kleinen, sehr hübschen Studentenstadt zu gönnen. In Ann Arbor befndet sich die University of Michigan und es war echt interessant, mal eine der großen Universitäten der USA zu sehen. 
Am nächsten Tag ging es dann weiter nach Toronto in Kanada. Es war erstaunlich, wie locker die Grenzbeamten Kanadas waren, wenn man mal bedenkt, wie kompliziert es ist, in die USA einzureisen. An der Grenze brauchten wir nichts außer unseres Reisepasses. In Toronto angekommen, waren wir dann erst einmal total begeistert von unserer Unterkunft: Wir hatten eine Wohnung über Airbnb gebucht, welche sich als ein wunderschönes Apartment im 26. Stock eines Hochhauses mit Portier herausstellte, von welchem aus man über ganz Toronto blicken konnte.
Wir besichtigten die Stadt und atmeten wohltuende Großstadtluft ein, bevor wir uns dann Abends alle zusammen schick machten, um auszugehen. Bevor wir Heim kamen, besorgten wir uns noch Wein und Cider, schließlich sind wir sonst an unseren strikten, alkoholfreien College-Campus gebunden.
Wir hatten uns alle so darauf gefreut, mal wieder tanzen zu gehen. Wir zogen also voller Motivation los, um die Stadt unsicher zu machen. Nach 1,5 Stunden Durch-Kälte-Wandern, hatten wir immer noch keinen Club gefunden. So kam es, dass wir zwei Kanadier, die uns zufällig über den Weg liefen (ein Arzt und ein Bänker), ansprachen, um uns einen Tipp geben zu lassen. Diese erklärten uns, dass es in Toronto nicht üblich sei, in Nachtclubs zu gehen und es deshalb kaum welche gäbe. Sie luden uns dann aber ein, mit ihnen in die nächste Bar zu ziehen, was wir auch annahmen. Der Abend wurde dann doch noch ganz lustig. Ich fragte die Kellnerin in der Bar, ob sie mein Bier mit Sprite mixen könne, woraufhin mich nicht nur diese, sondern auch alle anderen am Tisch auslachten. Ich sei ja gar keine richtige Deutsche, wenn ich kein normales Bier trinken würde. Pff, die wissen ja gar nicht, was sie mit Alster verpassen. 
Die Niagara-Fälle - wunderschön!
Um 2:00 nachts stellte sich dann heraus, dass die letzte Runde in jeder Bar in Toronto um 2:00 ausgeschenkt wird. Na toll. Aber der Abend war trotzdem lustig und als wir dann zurück ins Apartment kamen, ließen wir Mädels den Abend noch gemütlich auf der Couch ausklingen.
Der Samstag war dann mein Lieblingstag. Wir setzten unseren Roadtrip fort und fuhren zu den Niagarafällen, welche einfach atemberaubend schön sind. Schade fand ich es allerdings, dass die Wasserfälle von einer ziemlich hässlichen Casino-Stadt voller Leuchtreklame umgeben sind. Schöner fände ich es, wenn die Umgebung ein Naturschutzgebiet wäre, anstatt mit grellen Farben und Fastfood-Restaurants voll gekleistert zu sein. Aber abgesehen von der Umgebung waren die Niagarafälle wirklich ein Traum. Mit einem Boot fuhren wir ganz nah heran, wodurch wir zwar klatschnass wurden, aber einen wunderschönen Blick hatten. Zwischen den Wasserfällen flogen hunderte von Vögeln herum, die sich inmitten des ganzen Wassers pudelwohl zu fühlen schienen.
Da wir bei der Bootstour so nass geworden waren, waren wir vor Kälte am Zittern, als wir zurück auf das Festland traten und verbrachten deshalb nicht mehr viel Zeit in der Stadt (welche übrigens auch Niagara Falls heißt), sondern setzten uns mit einem warmen Kaffee ins Auto und fuhren zurück in unsere Unterkunft in Toronto. 
Die Crew <3 Andrea (rechts), Bea (Mitte) und ich :)
Auch an diesem, dem letzten Abend gingen wir aus und zur Feier der Reise recht schick essen. Wir gönnten uns nicht nur gutes Essen, sondern auch guten Wein. Als sich herausstellte, dass das Fleisch von Andreas Gericht nicht ganz durch war und sie deshalb Bescheid sagte, wurde uns die ganze Rechnung erlassen und noch Dessert oben drauf gelegt. Das Restaurant war recht schick und aus diesem Grund wurden wir wie Königinnen behandelt, als sich herausstellte, dass die Küche einen Fehler gemacht hatte. Wir kamen uns vor wie die größten Schnorrer, da uns bereits am Abend zuvor die beiden Kanadier auf alle Getränke eingeladen hatten (trotz Protest!) und nun auch noch unser Dinner bezahlt wurde. Aber... Naja wir sind Studenten, wir brauchen das Geld haha.
Am Sonntag schauten wir uns dann noch Chinatown an und machten uns Nachtmittags auf die siebenstündige Rückfahrt. Der Grenzübergang nach US-Amerika glich dann - wie gewohnt - einer Schwerverbrecher-Behandlung, aber letztendlich hat ja alles geklappt.
Den Rest der Fahrt hörten wir dann 80er- und 90er-Musik, sangen lauthals mit und tanzten im Auto... (siehe Video). Eben genau so, wie sich das für einen richtigen Roadtrip gehört ;)
Es war auf jeden Fall ein Traum einmal nach Kanada zu reisen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber es gibt mit Kanada tatsächlich einen Ort, welcher noch einsamer wirkt als die USA, wenn man über's Land fährt. Aber es ich mag Kanada wirklich gerne. Schon allein, wie sich die Menschen anzogen: Keine Jogginghosen und Hoodies, endlich hatte man wieder einen Reiz, sich auch selbst mit dem Äußeren Mühe zu geben haha. Und es gab Brötchen dort - Highlight! 
Besonders positiv nehme ich von dem Trip aber die Freundschaft zu Andrea mit. Ich war bereits vorher mit Bea befreundet, aber Andrea und ich haben uns durch die Reise erst so richtig kennen gelernt und verstehen uns echt super. Alles in allem ein wunderbares Mädels-Wochenende!
Am Montag hieß es dann leider wieder: Back to school, back to reality. Aber nun ist es nur noch eine Woche, bis die Weihnachtsferien anfangen und mich meine Reise in den Westen der USA weiterführt. Ich kann das Ende dieses stressigen Semesters und den Anfang meiner fast einmonatigen Reise kaum erwarten. Vor allem aber auf den Besuch meiner Eltern und meiner Schwester Nora kurz nach Weihnachten freue ich mich schon wahnsinnig doll! 

Samstag, 19. November 2016

Gedicht für "IMAGES" - Repräsentation von Kulturen.


Hier das Gedicht über deutsche Klischees. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich mal in positiver Weise Deutschland repräsentieren würde? Na gut, es war mein Job, aber es hat Spaß gemacht! Auf englisch schreiben, fällt mir definitiv nicht so leicht, wie auf deutsch ;) Es ging dabei darum einen lustigen Abend zu haben, die aufgezählten Klischees sind also nicht todernst zu nehmen! Und achja... Der letzte Part geht an dich, Trump!

Yes, I am German, but I do not only drink beer.
Yes, I am German, but I do not attend the Oktoberfest every single year.
This culture is so much more and so much less than people expect. Germans don’t mean to be rude, but in Germany being distant means showing respect.
Our language sure can sound kind of rough, but we promise: Germans actually often do laugh.
There are so many more cities than Munich, Frankfurt and Berlin.
We have a sad history, but Germany really is not anymore how it once has been.

Yes, being on time is important in our country, but sometimes even Germans are late.
Yes, we do have to pay a lot of taxes, but that’s because we are a welfare state.
And it’s true that we party a lot, but we also work really hard to achieve our goals. But there are so many prejudices which we are not. We are 82 Million people and 82 Million different souls.

Just like Americans do not all eat fast food every single day, we also do not fulfill every single cliché.
There is this preconception that Germans love rules, and indeed we have a lot of those.
But loving all of them is only done by fools, not by all the German pros.

Although – or especially because – we are talking about Germans: They do not all believe in National Socialism. In fact, most Germans really detest racism and praise liberalism.
We broke down the wall in 1989 and since then Germany is actually doing pretty fine.
We are still working on finding our identity. So here we are trying to separate prejudices from reality.

There are things that Germans are crazy about; like soccer, cars and Sauerkraut.
We celebrate Christmas on December 24, Valentine’s day is a tradition which we almost completely ignore and we spend a lot of time being outdoors.
We are not all blonde and blue eyed, it is not easy for us to socialize or compromise, but admittedly we really often do criticize.
We don’t mean to be impolite, it is just really hard for us to open up. But once we do, we finally break the ice.

In Germany, there sure is a lot of lacking, but there are so many great parts, too. Isn’t it nice to see how changes in Germany day by day happen? And isn’t it great looking ahead, having a pretty good view?
For those who don’t know about Germany: It is the country where parts of American culture once began. And it also has the shape of a pacman.
It is interesting to see how many people have German ancestors, who came to the US. It is interesting to find – behind all those differences – so many connections, because of people who came here to get help, when Germany was a mess.

So maybe we should stop looking for the things that are different and start looking for our common ground. Considering our history, I bet there is gonna be a lot that can be found.
So, we all have people and things that we love. Many of us believe in something or someone above.
We all have fears and dreams and wishes and I bet every person in Germany as well as in the US has certain ambitions.
All of us see one and the same moon every single night and all of us are sometimes wrong and sometimes right.

We are all living on the same beautiful planet and even though we are all one of a kind, we have so many different beautiful talents and have all different things on our mind.
Culture sure is something that sets us apart, but to me those differences between people all over the world are some kind of beautiful art.

So let’s be excited for all those cultures and every single person we meet. Because just seeing differences would be such a shame. Knowing diversity is such a treat, especially since all our hearts are clearly the same.

Please don't make America "great again"

Manchmal habe ich das Gefühl, dass der US-amerikanische Wahlkampf in Deutschland stärker diskutiert wurde, als in den USA selbst. Jeder hat hier eine Meinung dazu, da bin ich mir sicher. Aber niemand spricht darüber. Das Thema wird totgeschwiegen, weil jeder genau weiß: Wenn ich meine Meinung äußere, stehen durchschnittlich 50% der Anwesenden gegen mich. Und viele Menschen hier scheinen nicht aus der Reihe tanzen zu wollen. Während Individualität und Auffallen in Deutschland oft eher positiv gesehen werden, habe ich das Gefühl, dass jemand mit fester, eigensinniger Meinung - zumindest in Michigan - eher negativ auffällt.
Vielleicht ist auch das der Grund dafür, dass hier bis zuletzt niemand damit so richtig damit gerechnet hat, dass Trump die Wahl gewinnen würde. Schließlich haben die Medien vermittelt, dass Hillary Clinton im Grunde die einzige Option sei - und gegen den öffentlichen Diskurs stellt man sich hier nun mal ungern. Die Menschen, die mir als sehr offen mit ihrer Meinung auffielen, waren hauptsächlich Professoren und internationale Studierende. Wenn ich dann mal Diskussionen mitbekam, dann hieß es immer "Clinton muss Präsidentin werden!" Menschen, die sich zu Trump bekannten, traf ich kaum. Dass es sie gibt, machte sich aber durch mit Kreide gemalte Statements auf dem Boden bemerkbar. Am Tag der Wahl hatten ein paar Studenten ein großes Kreidebild auf dem Gehweg vom Campus gemalt, das sagte "History has its eyes on you. Go vote". Jemand anderes hatte dann nachträglich hinzugefügt "for Trump!".
"History has its eyes on you. Vote ... for Trump"
Während der Auswertung hing ich bis zum bitteren Ende vor dem Bildschirm und chattete parallel mit Freunden. Wir regten uns gemeinsam auf, wie so etwas passieren konnte - schließlich war recht schnell abzusehen, wer den Sieg für sich gewinnen würde. Und ich frage mich immer noch: Wie konnte das passieren? Seit der Wahl zerbreche ich mir tagtäglich den Kopf darüber. Und ich bin zu einigen Schlüssen gekommen:
Wenn man hier in den großen Supermärkten wie Meijer oder Walmart einkaufen geht, dann fällt schnell auf: Viele Amerikaner haben ein ganz anderes Einkaufsverhalten, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Wenn man in den Supermarkt geht, hat man oft das Gefühl von völliger Reizüberflutung. Die Produktaufschriften überschlagen sich mit fettgedruckten Wörtern wie "LARGE", "EXTRA BIG", "UNBREAKABLE" etc. Und das sind die Produkte, zu denen viele Menschen völlig blind greifen, ohne dabei auf die Inhaltsstoffe oder die Qualität der Produkte zu achten. Und genau dieses Einkaufsverhalten hat auch Trump genutzt.
Trump verwendete bei seinen Reden immer sehr kurze Sätze, mit vielen einfachen Wörtern. Er wiederholte dramatische Aussagen oft bis zu drei Mal hintereinander, benutzte Wörter wie "stupid", "loser", "dangerous", "tremendous" und "huge". Ausdrücke, die nicht nur eine starke Wirkung haben, sondern auch leicht für jedermann zu verstehen sind. Clinton hingegen benutzte Wörter und Sätze, die man nur dann einordnen kann, wenn man sich bereits mit dem politischen Diskurs auseinandergesetzt hat. Was machen also viele Amerikaner? Sie "kaufen" sich den Präsidenten ein, der am lautesten "LARGE" und "UNBREAKABLE" schreit, anstatt sich darüber zu informieren, was eigentlich in der Verpackung steckt. Trump ist ein Geschäftsmann, er weiß wie er sich zu verkaufen hat. Er weiß, was die Menschen hören wollen.
Ich spreche hier natürlich nicht von der Allgemeinheit der Amerikaner. Es ist schließlich nicht zu übersehen, wie gespalten das Land zurzeit ist. Wie demokratisch ist eine Wahl, in der mehr Menschen für Clinton gestimmt haben, aber durch das Wahlmann-System trotzdem Trump das Ruder in die Hand gedrückt bekommt?
Am Hope College gab es schon innerhalb der ersten Woche nach der Wahl Ausschreitungen gegen Studierende, die Minderheiten angehören. Und das unter der Rechtfertigung der Meinung des neuen Präsidenten... Zu den Minderheiten gehören vor allem dunkelhäutige Studierende und Hispanics. Eine der Residence Halls, in der hauptsächlich internationale Studierende aus Südamerika wohnen, wird nun rund um die Uhr von Security bewacht, um den Studierenden die Sicherheit zu gewähren, die hier nicht mehr selbstverständlich scheint. Ich habe so gut wie nie Vertreter von Trump getroffen, aber plötzlich versetzen sie den ganzen Campus in Aufruhr. 
Zum Glück hat das College auf diese Probleme aber gut reagiert: Es gab nicht nur Versammlungen, in denen man über die Wahlergebnisse sprechen konnte, sondern auch (vor allem für Internationals) die Möglichkeit ein persönliches Gespräch zu suchen, um über Angst und Belastung zu sprechen.
Das Team, mit dem ich Deutschland repräsentierte.
 Der Präsident des Colleges hat eine lange Email an die Studierenden gesendet, in der er dazu aufrief die Vielfalt am Hope College zu schätzen und zu schützen. Diese Reaktionen der Colleges fand ich sehr angemessen und gut! Zwei Wochen nach der Wahl gab es eine Veranstaltung vom College, bei der alle möglichen Kulturen kreativ durch Tänze, Gesang oder Gedichte repräsentiert wurden - das perfekte Timing. Auch ein paar Deutschstudenten und ich haben Deutschland repräsentiert, in dem wir ein selbstgeschriebenes Gedicht über deutsche Klischees vortrugen. Ich werde es in einem anderen Blog-Beitrag hochladen.
Man kann an der allgemeinen Stimmung spüren, wie die Wahlen die Bevölkerung in zwei Hälften reißen. Es ist traurig und schade. Die Menschen, die bald Trump als Präsidenten haben werden, sind zum großen Teil Nachfahren von Menschen, die einst nach Amerika flohen, um der politischen Verfolgung im eigenen Land zu entkommen. Amerika stand mal für Freiheit. Die Freiheitsstatue hat eine Inschrift, die besagt: "Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to breathe free, the wretched refuse of your teeming shore. Send these, the homeless, tempest-tossed to me, I lift my lamp beside the golden door!" Trump tritt mit seinen Vorsätzen die Geschichte Amerikas mit Füßen. Ich wünsche Amerika und der restlichen Welt, dass Trump nicht mit all dem, was er in seinem Wahlkampf gepredigt hat, durchkommen wird.

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Sexueller Missbrauch an amerikanischen Colleges? Pssst, leise!!!

Seit Beginn des Semesters, 30. August 2016, wurden am Hope College 5 sexuelle Missbräuche gemeldet. Mit anderen Worten: Seit Beginn des Semesters hat durchschnittlich öfter als alle zwei Wochen sexueller Missbrauch on Campus stattgefunden. In nur acht Wochen waren also bereits 0,33% aller Studierenden dieses Colleges (als Täter/in oder Opfer) in sexuellen Missbrauch verwickelt.
Ich saß mit einer Bekannten in der Dining Hall und wir unterhielten uns über das College. Es kam zur Sprache, wie sicher Holland doch sei und, dass man sich an diesem kleinen, privaten, christlichen College vor nichts fürchten müsse. Das Mädchen, mit dem ich essen war, zog ihre Augenbrauen hoch. "Hast du es nicht gehört?" - Nein, ich hatte es nicht gehört. Sie erzählte mir, dass die Residential Assitants alle eine Email erhalten hätten, in der von vier Vergewaltigungen die Rede gewesen sei. Mehr wisse sie aber auch nicht. Na gut, die Aufklärung kommt bestimmt noch, schließlich kann eine solche Reihe an Straftaten an einem so kleinen College ja nicht unkommentiert bleiben. Kann sie doch.
Ich hielt meine Ohren und Augen offen. Keine Informationen vonseiten unserer Residential Assistants. Keine offene "Talk about it"-Runde. Nichts. Ich sprach meine Mitbewohnerinnen darauf an, die mir entweder keine richtige Antwort gaben, oder sagten "Wenn man im Minirock zu Partys geht und Alkohol trinkt..."
Alkohol ist keine Entschuldigung!!
Ich war mir sicher, dass die Täter/innen schon lange festgenommen wären, schließlich waren sie "reported" worden. Ich machte mir also nicht viele Gedanken darüber, bis mir irgendwann zufällig das Thema durch den Kopf ging. Als ich danach googelte, fiel mir fast die Kinnlade herunter. Waren die Taten gemeldet worden? Ja. War bekannt, wer die Täter/innen waren? Ja. Wurde bereits gegen die Täter/innen ermittelt? Nein.
Es heißt, die Geschädigten hätten sich an die Campus Safety und die psychologische Beratungsstelle des Colleges gewandt, aber sie würden keine Ermittlungen der Polizei wollen. Als ich mein Auslandsjahr begann, stellten sich diese Institutionen in der Orientierungsphase vor und sagten klar und deutlich, dass sie zwar vertraulich wären, aber sobald sie von einer Straftat hören würden, verpflichtet seien, dies an die Polizei weiterzuleiten. Brechen diese Institutionen hier wirklich in aller Öffentlichkeit die Regeln und es wird geduldet?
Auch wenn dieser User für "Wahrheit" plädiert, geht er doch davon aus, dass die Opfer einen "False report" gemacht haben?!
Campus Safety ist eine Art Campus-Polizei. Wir sprechen hier nicht von der Polizei der Vereinigten Staaten, sondern von einer Institution, die es zwar an jedem College gibt, die aber von jedem College privat engagiert und verwaltet wird. Campus-Safety ist, so wurde uns immer wieder gesagt, für alles der erste Ansprechpartner. Ungeziefer im Haus, Verletzungen, materielle Schäden in den Dorms, Straftaten on Campus: Ihre Nummer ist die erste, die wir wählen sollen.
Warum also melden vier Mädchen die sexuellen Missbräuche nicht direkt der Polizei, sondern den universitären Institutionen? Weil es ihnen seit dem ersten Semester eingebläut wird, weil sie sich schnelle Hilfe erhoffen und weil sie sich auf das College verlassen.
Bis heute sind die Schuldigen nicht festgenommen und noch nicht einmal vom College suspendiert. Sie gehen jeden Tag zu ihren Kursen, sitzen Sonntags in der Kirche und treffen sich mit ihren Freunden. Dieser Campus ist 3000 Studenten groß: Es ist darauf Verlass, dass man sich sehr viel öfter als zwei Mal im Leben sieht.
Man kann nun viel davon reden, dass das ein falsches Zeichen setzt, aber am Ende passiert es ja doch nicht noch einmal...dachte ich. Aber dieses Mal hat das falsche Zeichen Wirkung gezeigt. Vor einer Woche hat erneut ein sexueller Missbrauch auf dem Campus stattgefunden. Ist die Tat gemeldet worden? Ja. Ist bekannt, wer die/der Täter/in war? Ja. Wurde gegen den/die Täter/in ermittelt? Nein.
8 Wochen. 5 sexuelle Missbräuche. 0 Ermittlungen.
Unglaublich.
Im Internet werden Kommentare groß, in denen behauptet wird, dass es ja nicht ernst zu nehmen sei, wenn die Opfer nicht einmal bereit dazu gewesen seien, eine Aussage bei der Polizei zu machen. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass Campus-Safety für die Studierenden hier "richtige Polizei" bedeutet. Und ich denke, dass wir hier auch das zentrale Problem finden.
In Amerika ist Bildung ein Geschäft. Die Colleges leben von Geld. Geld kommt dann, wenn die Leute bereit sind, viel für die Schule zu bezahlen. Leute sind dann dazu bereit, wenn die Schule einen guten Ruf hat. Wenn in offiziellen Statistiken aber sexueller Missbrauch mit auf der Liste steht, kann der gute Ruf schon mal leiden. Das Ziel eines Colleges ist es also, so wenige Prozesse wegen Straftaten in der Evaluation zu haben, wie möglich. Und Prozesse kommen nur dann, wenn es eine Anzeige gibt.
Genau so ist es: Hope College sagt nichts und gibt damit sein "Ok"...
Opfer, die bereit sind, diese Vorfälle zu melden und dann plötzlich zu keiner Anzeige mehr bereit sind. Eine Campus-Safety, die von dem College selbst gesteuert wird. Fällt das Hope College da vielleicht unter die unzähligen Fälle, die kürzlich bekannt wurden, in denen es darum ging, dass nahe zu alle amerikanischen Colleges Meldungen sexuellen Missbrauchs totschweigen, zum Teil sogar verleugnen, um keine schlechtes Exposé zu veröffentlichen? (Siehe http://thehuntinggroundfilm.com/2016/06/its-on-us-to-see-act-stop/)
 Ohne Hope College selbst "angreifen" zu wollen, liegt dieser Gedanke nah. Des Weiteren ist das Thema Sexualität in Amerika einfach ein ganz anderer Gegenstand als in Deutschland. Hier spricht man nicht darüber, selbst wenn es um Gewalt geht - oder gerade dann. Es gibt sogar eine präventive alljährliche Aktion zum Thema "Vergewaltigung", bei welcher Studierende T-Shirts mit Nachrichten darauf gestalten, welche dann in den Dining-Halls aufgehängt werden. Dort war unter anderem zu lesen "They can take your innocence, but they can't take your soul". Hier ist nicht von Jungfäulichkeit, sondern von Unschuld die Rede. Ein Ausdruck mir Implikation...
Wir reden hier von einem sehr christlichen College. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass die allgemeine Verbundenheit zur Religion die Leute hier so unter Druck setzt, dass es sie daran hindert, für ihre Interessen aufzustehen.
Ich habe keine Angst, weil ich denke, dass es mir auch passieren könnte. Ich habe Angst, weil ich nicht will, dass jemand damit durchkommt, wenn er/sie einer Person den Rest des Lebens zerstört. Weil die "Safety" auf dem Campus eine Lüge ist. Ich habe Angst, weil ich wahrscheinlich Tag für Tag an den Täter/innen vorbei laufe und nicht einmal weiß, was sie getan haben. Weil die Opfer hilflos sind und weil ihnen die Schuld für "false report" zugeschoben wird und das, weil es jeder weiß, aber niemand hört. Und vor allem habe ich Angst, dass andere Opfer jetzt gar nichts mehr sagen. 
Durchschnittlich wird eine von fünf Frauen während ihrer Zeit am College sexuell missbraucht. 80% aller Missbrauchten melden die Tat nicht. 99,4% aller Sexual-Straftäter in den USA kommen ungestraft davon. (https://www.rainn.org/statistics/criminal-justice-system)
8 Wochen. 5 gemeldete sexuelle Missbräuche. 0 Ermittlungen.
Es steht schlimm genug um euer Land, Amerika. Wählt nicht auch noch Trump.

Freitag, 14. Oktober 2016

Mit Diabetes in die USA - Just (don't) do it!

Dafür, dass mir die Ärzte damals versprachen "Du wirst, auch mit Diabetes, ein ganz normales Leben wie jeder andere führen!", ist diese Krankheit ein viel zu zentrales Thema in meinem Alltag. Da ich es aber nicht einsehe, mein ganzen Leben Kompromisse zu schließen, laufe ich - was meine Diabetes angeht - immer mal wieder gern mit dem Kopf durch die Wand:
Als ich endlich die Zusage für mein Stipendium am Hope College hatte, musste ich mich also auch damit beschäftigen, wie ich in dieser Zeit meine Krankheit bezahlen würde. Ich telefonierte Krankenkasse um Krankenkasse ab, aber mit jedem Anruf, bekam ich eine weitere Absage: Die Krankenkasse waren alle dazu bereit mich für unvorhersehbare Krankheiten und Unfälle zu versichern, aber unter der Bedingung, dass jegliche Kosten meiner Diabetes ausgeschlossen wären. Ein ganz besonders freundlicher Mitarbeiter der privaten Partner-Krankenversicherung meiner KV fasste meinen Fall im besonders sympathischen Versicherungsangestellten-Ton so zusammen: "Wir werden uns ganz bestimmt keinen Schaden einkaufen - und bei allem Respekt, ökonomisch gesehen, sind Sie genau das für uns."
Zwischenzeitlich dachte ich, dass sich mein ganzes Auslandsjahr damit für mich erledigt hätte, denn es steht außer Frage, dass all die Dinge, die ich benötige (wie Insulin, Verbrauchsmaterial für die Insulinpumpe, Arztbesuche, ...), selbst in Deutschland auf Dauer unbezahlbar sind, wenn man diese Kosten privat tragen muss.
Da man in Deutschland aber nicht nur eine Versicherungspflicht, sondern auch ein Recht auf Versicherung hat, setzte ich mich mit meiner deutschen Krankenversicherung in Verbindung. Um nicht zu lügen: Auch diese versuchten erst einmal mich abzuwimmeln, aber hier profitierte ich dann einmal von meiner Sturheit bezüglich meines Lebens mit Diabetes. Ich fand heraus, dass die Krankenkasse gesetzlich dazu verpflichtet ist, meine Medizinkosten zu übernehmen, wenn ich mindestens drei Absagen von Krankenkassen für Auslandsversicherungen nachweisen könne. Ich nervte die Mitarbeiter der Kasse also so lange, bis wir uns auf den Deal einigten, dass sie die Kosten für meine Diabetes zumindest in dem Ausmaß der deutschen Kosten decken würden. Keine perfekte Lösung, aber besser als nichts.
Die Kosten für Insulin in Deutschland.
In Deutschland darf ein Arzt nur dann Rezepte verschreiben, wenn der Patient mindestens einmal im Quartal in die Sprechstunde des Arztes kommt. Und auch die Mengen an Medikamenten, die ein Arzt verschreiben darf, sind strikt begrenzt. Mit aller Kraft versuchte ich die Krankenkasse dazu bewegen, in meinem besonderen Fall eine Ausnahme zu machen, sodass ich genug Insulin für ein Jahr in die USA mitnehmen könnte. Aber es scheint, dass jeder Mitarbeiter der Krankenkasse Hase heißt und von nichts weiß - mir konnte jedenfalls niemand eine vernünftige Beratung gewähren. 
Die Kosten für Insulin in den USA.
Um die Gesetzte der Ärzte zu umgehen, probierte ich es also mit einem anderen Deal: Ich versuchte die Krankenkasse dazu zu überreden, einzuwilligen, dass ich zu verschiedenen Ärzten ginge, die mir alle unabhängig von einander Insulin verschreiben könnten. Da ich das Insulin aber mit meiner Krankenkassen-Karte bezahle, brauchte ich die Einwilligung der KV, dass sie die Kosten übernehmen würden. Es ging nur um diese eine Zusage: "Ja, wir werden für die Kosten der Jahresmenge an Insulin auf einen Schlag aufkommen".
Niemand (!) konnte mir diese Zusage geben. Ebenso wenig konnte mir jemand sagen, dass es nicht möglich ist. Selbst, als ich mich von einem Vorgesetzten zum nächsten und über alle möglichen Fachabteilungen hinwegtelefonierte, war es niemandem möglich mir eine verbindliche (und freundliche) Zu- oder Absage zu geben.
Die einzige Zusage, die ich mir sichern konnte war, dass die Versicherung einem einjährigen Dauerrezept für Verbrauchsmaterial der Insulinpumpe zustimmte. Damit konnte ich sichern, dass diese Produkte in regelmäßigen Abständen zu meiner Mutter geschickt werden, ohne dass ich zum Arzt muss. Meine Mutter schickt diese Produkte dann wiederum zu mir. Ja - es ist alles wahnsinnig kompliziert.

So kam es dann, dass ich mit nur recht wenig Insulin und anderem Diabetes-Kram in die USA loszog. Die Einreise war (wie gewohnt) eine einzige Tortur. Dieses Mal wurden meine Medikamente nicht nur einmal, sondern drei Mal durch den Security-Check gejagt (auch beim dritten Mal wandelte es sich nicht zu Sprengstoff...) und wurden dann auch direkt auf dem Band vergessen, sodass erst niemand wusste, wo meine Sachen nun waren. Ich hätte beinahe meinen Anschlussflug verpasst - hier nochmal ein herzliches Dankeschön an den Flughafen Manchester.
Seitdem ich in den USA war, war das alles dann kein Problem mehr. Ich hatte Insulin für die ersten zwei Monate dabei und hatte bereits einen Arzt gefunden, der mir mein Rezept verschreiben würde. Hiervon war ich auch sehr begeistert, denn das Hope College hat hier für jeden Studenten eine Art Fond, der sichert, dass man (auch ohne Versicherung) keinen Arztbesuch on Campus bezahlen muss. Ich bekam sogar eine "Rabatt-Karte", mit der ich Prozente auf Insulin bekomme. Und ja: Wir haben eine eigene Arztpraxis, eigene Krankenschwestern und einen eigenen Arzt in einem kleinen College mit 3000 Studierenden...
In Deutschland hatte ich mich bereits informiert: Allen Informationen (via Google) zufolge, würde mich das Insulin rund 200€ mehr kosten, als in Deutschland. Teuer aber machbar. Ich ging also zur Pharmacy, gab ihnen meine Rabattkarte und fiel fast hinten über, als mir die Apothekerin mit einem strahlenden amerikanischen Lächeln entgegenflötete "That's a total of $1200 with your discount card". Zum Vergleich: In Deutschland zahlt man für die gleiche Menge Insulin (ohne Rabatt!) zwischen 200 und 300 Euro.
An dieser Stelle hatte ich einen meiner ersten ernsthaften mentalen Breakdowns. Ich fühlte mich nicht nur ungerecht behandelt, sondern hatte auch ein Gefühl von Panik im Körper, da es hier schließlich um das Mittel geht, das mich am leben hält.
Und ganz ehrlich: Wer weiß, ob ich mein Auslandsjahr sogar abbrechen hätte müssen, wenn ich nicht so eine umwerfende Familie hätte.
Meine Eltern wollten die amerikanischen Kosten übernehmen. Aber ganz abgesehen davon, dass ich mit dem Stipendium finanziell unabhängig sein wollte, wäre es mir gar nicht möglich, so viel mit meiner 1000€-limitierten Studenten-Kreditkarte zu bezahlen. Und all das Geld aus dem Geldautomaten zu beschaffen, hätte Wochen gedauert, da ich auch ein Limit habe, wie viel ich pro Tag/Woche abheben kann.
Meine Helden! Danke! <3
Meine liebe, liebe Familie setzte dann aber mit vereinten Kräften alles in Bewegung, um mir zu helfen: Meine Schwester, welche mich eine Woche später eh besuchen sollte, brachte einen Arzt in Beratung mit meinen Eltern dazu, Rezepte für Insulin auszustellen, obwohl ich ein Jahr nicht in seine Praxis kommen kann. Im Gegenzug nimmt sie meine Krankenkassenkarte zurück nach Deutschland, welche er dann durch den Leser zieht. Während meine Eltern - von Russland aus - den Kopf hinter der Mission bildeten, waren es meine Schwestern und mein Schwager, die sich mit dem Arzt in Verbindung setzten und mir meine Medikamente besorgten. Meine Schwester musste dafür mit dem Zug einen Umweg von einem Ende Deutschlands bis zum anderen fahren und das Insulin, in der Hoffnung nicht vom Zoll ertappt zu werden, im Koffer transportieren. Und letztendlich stand sie dann mit dem Insulin für mehr als die nächsten 4 Monate vor der Tür.
All diese Probleme, die meine Diabetes mit sich bringt, machen mich wütend und traurig. Während es für übliche gesundheitliche Einschränkungen tausende Initiativen gibt, fällt Diabetes irgendwie einfach unten durch. Ich denke, dass es daran liegt, dass Diabetes Typ 1 eine nicht alltägliche Krankheit ist. Aber, dass es so schwer für Erkrankte ist, eine solche akademische Chance wahrzunehmen, erscheint mir einfach unglaublich ungerecht. Dass noch nicht viele diese Umwege gegangen sind, zeigen die spärlichen Google-Ergebnisse und die Ahnungslosigkeit der zuständigen Mitarbeiter bei Krankenkassen. Ich hoffe sehr, dass diese Barrikaden in Zukunft abgebaut werden, denn nicht jeder hat das Glück, eine so unglaublich hilfsbereite Familie zu haben. Ich habe jedenfalls drei Dinge gelernt:
1. Das Preise für Medizin in den USA sind eine Schande.
2. Ich bin unglaublich dankbar dafür, so tolle Menschen in meiner Familie zu haben.
3. Verlasse dich niemals auf die Ergebnisse bei Google.
Und jetzt genieße ich jeden Shot Insulin in vollsten Zügen. Cheers!