Samstag, 25. März 2017

Das große Dilemma zwischen Gehen und Zurückkommen

Es ist schon merkwürdig, wie Tag für Tag so vergeht und man eigentlich gar keine großen Veränderungen bemerkt. Aber dann blickt man auf das ganze Jahr zurück und alles scheint anders zu sein als zuvor. 
Auch wenn ich nicht besonders gläubig bin:
In der Kapelle des Colleges denkt es sich gut nach :)
Kurz vor meiner Abreise nach Amerika habe ich mich oft gefragt, ob es das Richtige ist, genau jetzt wegzugehen. Mein Leben in Göttingen gefiel mir so gut, ich fühlte mich wohl in meiner WG und mit meinem Studium. Ich war froh, meine engsten Freunde dort um mich zu haben und es war auch nah genug an meinem Elternhaus dran. Ich habe wirklich daran gezweifelt, ob es eine gute Entscheidung ist, all das an einem so schönen Zeitpunkt für ein Jahr hinter mir zu lassen. Na klar, man kommt ja wieder - aber in einem Jahr ändert sich nun mal viel.
Und nun lebe ich schon eine ganze Weile in den USA. Am Anfang war es schwierig für mich, mich in die Kultur einzufinden und innerlich anzukommen. Immer wieder habe ich mir gewünscht, wieder in Deutschland zu sein - da, wo sich all meine Freunde, meine Familie und all meine Sachen befinden. Und jetzt kommt der Tag meiner Abreise immer näher. Heute sind es noch genau ein Monat und vier Tage. Es ist nicht so, dass ich in Michigan bleiben möchte. Es gibt zu viele Dinge, die mich auf Dauer an dem Leben in einer so kleinen Stadt, an einem so kleinen College stören würden. Ich freue mich also darauf, zu gehen (auch wenn es vieles gibt, das ich vermissen werde). Aber mit jedem Tag wird mir klarer, dass es eher eine Vorfreude darauf ist, zu gehen, als darauf, zurück nach Hause zu kommen.
Typische Situation für Bea und mich: Kaffee trinken in einem
gemütlichen Coffeeshop und so lange hin- und her
philosophieren, dass es plötzlich 4 Stunden später ist.
Ich habe fast ein bisschen Angst davor zurückzukehren. Ich weiß, dass sich in dem Leben meiner Freunde vieles verändert hat. Einige haben ganz neue Gruppen, mit denen sie viel machen, andere haben Göttingen in der Zeit verlassen. Und selbst das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wird so nicht mehr existieren, wenn ich heim komme. Die Familie meiner Schwester zieht mit in das Haus meiner Eltern ein. Dafür wird das ganze Haus umgebaut. Ich freue mich darüber, weil ich es für eine gute Idee halte. Aber bevor ich Deutschland verlassen habe, war der Umzug nicht einmal geplant. Das bedeutet, ich habe einen Platz verlassen, an dem ich mein Leben verbracht habe, seit ich geboren wurde und der sich niemals so richtig groß verändert hat. Und dann komme ich ein Jahr später wieder und dieser Platz der Kindheit ist plötzlich nicht mehr da. Auch meine WG - nachdem ich all die letzten Jahre mit meinem Mitbewohner Martin zusammengewohnt habe, ist dieser aus Göttingen weggezogen, während ich in Amerika war. Jetzt wohnt eine meiner besten Freundinnen, Jana, in der WG und wird meine Mitbewohnerin sein. Ich freue mich sehr darauf, aber auch hier komme ich in ein zu Hause zurück, dass ganz anders ist, als das zu Hause, das ich vor einem Jahr hinter mir gelassen habe.
Damit will ich sagen: Ein Jahr verändert vieles - und wer weiß schon, ob ich da mithalten kann?
Es sind schließlich nicht nur die Leben der anderen die weitergehen, sondern auch mein eigenes. Ich habe in den vergangenen Monaten so vieles erlebt, das mich beeindruckt und meinen Blickwinkel auf so einige Dinge (wie zum Beispiel Politik, Gesellschaft, Wertevorstellungen) verschoben hat. Und manchmal weiß ich nicht, ob ich damit noch in die Formen, die ich vorher gelegt habe, hineinpasse,
Eines der schönsten Dinge in Michigan:
Die tausenden Seen und die (durch die Kälte) klaren Himmel.
oder hineinpassen will.
Die Zeit hat deutlicher als irgendwas jemals zuvor gezeigt, wem ich wirklich wichtig bin. Mit einigen Menschen war es nahezu unmöglich Kontakt zu halten, da - selbst wenn ich versucht habe, den Kontakt zu suchen - nicht viel, manchmal gar nichts, zurück kam. Aber auch andersrum: Ich habe an mir selbst bemerkt, zu wem mir der Kontakt besonders wichtig ist.
Es tut zwar manchmal weh, zu sehen, wer kein Interesse an der Freundschaft zeigt, wenn man nicht in greifbarer Nähe ist, aber es ist eben auch wichtig, diese Erfahrung zu machen.
Auch schon bevor ich gegangen bin, habe ich über diese möglichen Veränderungen nachgedacht. Aber jetzt versetzen sie mich manchmal in Unsicherheit. Veränderung ist gut, weil Veränderung "Entwicklung" bedeutet und "Entwicklung" kann ein Fortschritt sein. Aber man verliert von der anderen Seite des Ozeans eben auch schnell den Überblick.
Wenn ich wiederkomme, werde ich bald meinen Bachelor beenden. Und ich denke immer mehr darüber nach, noch einmal während des Studiums in eine ganz neue Stadt umzuziehen. Ich habe mich kürzlich auf mehrere Praktika beworben und habe eventuell die Möglichkeit nach Frankfurt, Düsseldorf, München, Hamburg oder Berlin zu gehen. Wer weiß, vielleicht hält es mich ja dort.
Zurück nach Göttingen / Hannover zu kommen, wird auf jeden Fall sehr aufregend. Zurück in die abgewöhnte Gewohnheit. ;)



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