Freitag, 16. September 2016

Fragen, die mir immer wieder gestellt werden

Was ist der extremste (negative) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Ganz klar: Das Öffentliche-Verkehrsmittel-System!
Am meisten beeinträchtigt mich, dass man hier ohne Auto wirklich abgekapselt von der Welt außerhalb des Campus ist. Während man in DE selbst auf dem Land immer irgendeine Möglichkeit findet, in den nächsten Ort oder die nächstgrößere Stadt zu gelangen, existiert diese Möglichkeit hier nun mal überhaupt nicht. Klar, es gibt einen Zug nach Grand Rapids und auch nach Chicago. Aber diese Züge fahren nur einmal am Tag und zwar zu Zeiten, die es unmöglich machen, einen Tagestrip zu machen. Es gibt auch einen Bus, aber mit dem kommt man leider auch nicht viel weiter als zu Fuß! Ich denke, dass es wunderschön ist, so viel Natur um sich zu haben, aber ich fände es schön, wenn ich diese auch mal erkunden könnte - Das war mir bisher noch nicht möglich, da ich nun mal kein Auto habe.

Was ist der extremste (positive) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Was ich hier sehr schätze, ist der sehr persönliche Umgang mit den Studenten am Hope College. Ich denke, dass die Einzelkämpfer-Mentalität in Deutschland manchmal etwas überhand nimmt. Wenn ich in Deutschland mit meinen Hausaufgaben zum Professor gehen würde, um Hilfe zu beanspruchen, würde das nicht wirklich gut ankommen und einem vielleicht sogar als negativ angerechnet werden, weil man nicht selbstständig arbeitet. An sich finde ich es zwar gut, dass man in Deutschland seinen eigenen Weg finden darf und muss, aber wenn man etwas gar nicht versteht, ist es bei uns eher die Regel, einen privaten Nachhilfelehrer zu suchen. Hier kann man sogar mit kleineren Fragen zum Prof. gehen und er heißt einen gern willkommen. Auch das Interesse am Privatleben ist hier viel größer. Wenn man grade sehr im Stress ist, sind die Professoren dazu bereit, das zu berücksichtigen. In Deutschland hingegen kennen die Dozenten oft nicht mal die Gesichter ihrer Studenten.
Ich - für mich persönlich - komme mit dem deutschen System wohl trotzdem besser klar, weil ich gerne meine eigene Ordnung und Zeitplanung habe, aber ich bewundere das Angebot jederzeit Unterstützung bekommen zu können am Hope College!


Was machst du in den Semesterferien, wenn alle nach Hause fahren?

Während alle anderen internationalen Studenten über Weihnachten (4 Wochen) zurück ins Heimatland fliegen, plane ich die Zeit zum Reisen zu nutzen.
Auf dem Campus kann ich jedenfalls nicht bleiben, weil man das College über die Semesterferien verlassen muss. Abgesehen davon, wäre es hier im Winter, wenn niemand hier ist, noch einsamer. :D Ich werde wohl in ein wärmeres Gebiet fliegen, also entweder den Süden der USA bereisen oder durch Südamerika backpacken. Allerdings ist letzteres eher für nächstes Jahr geplant. Mal schauen - es wird auf jeden Fall ein ganz ungewöhnliches Weihnachten für mich. ;)


Ist es sehr schwierig, in den USA vegetarisch zu leben?

Ehrlich gesagt sind die Speisepläne hier tatsächlich nicht so gut auf vegetarische oder gar vegane Ernährung eingestellt. Natürlich ist es möglich, sich hier fleischlos zu ernähren. Besonders in den Dining Halls des Colleges klappt das gut, weil hier zu jeder Mahlzeit jeweils mindestens ein veganes und ein vegetarisches Gericht angeboten wird.
Allerdings ist das wirklich nicht überall so. Als ich in New York mit ein paar Freunden in einem Diner war, habe ich in die Karte geschaut und in jedem Gericht, sogar in den Salaten, war Fleisch enthalten. Auf meine Frage, ob irgendein vegetarisches Gericht angeboten würde, sagte der Mitarbeiter höchst verunsichert "Well, I could take the meat out of the burrito, I guess...". Die Ernährung hier dreht sich auf jeden Fall sehr viel mehr um Fleisch, als ich es aus Deutschland kenne. Allerdings bin ich auch froh, dass ich mich so oder so vegetarisch ernähre, weil die Amerikaner (Klischee bedient!) generell dazu neigen, die meisten Gerichte fettiger zuzubereiten, als es nötig wäre. Somit ist mit dem frittierten Gemüse eigentlich schon für alles gesorgt. ;)

Denkst und träumst du auf deutsch oder englisch?

Ganz unterschiedlich. Wenn ich über Dinge bezüglich des Colleges nachdenke, denke ich eigentlich immer auf englisch. Aber nach deutschen Telefonaten oder dem Deutschunterricht, den ich gebe, passiert es mir oft, dass ich Amerikanern auf deutsch antworte, oder sie sogar so anspreche, weil ich grade so auf Deutsch fokussiert war. Generell fällt mir das Hin-und-Her-Wechseln zwischen den beiden Sprachen echt schwer. Da es einige Studenten und Professoren an der Uni gibt, mit denen ich nur auf deutsch reden soll und der Rest natürlich nur englisch versteht, muss ich mehrmals am Tag spontan umswitchen, manchmal sogar innerhalb einer Konversation, wenn sich Amerikaner dazu gesellen. Ich bin also praktisch den ganzen Tag verwirrt :D
Ich würde aber sagen, dass ich größtenteils mittlerweile auf englisch denke, was wohl ganz normal ist, wenn einen diese Sprache den ganzen Tag umgibt. Es kommt sogar immer öfter vor, dass mir deutsche Wörter für einen Moment entfallen, oder ich automatische englische Wörter benutze, wenn ich auf deutsch rede. Beim Träumen ist mein Schlaf-Ich bisher offensichtlich ganz pragmatisch: Amerikaner reden englisch, Deutsche reden deutsch.


Könntest du dir vorstellen für immer in den USA zu leben?


Ich glaube, ich bin emotional viel zu abhängig von meiner Familie und von meinen Freunden in Deutschland, um irgendwann mal auszuwandern. Aber wenn ich es tun würde, dann würde ich es nur machen, wenn ich in einer großen und internationalen Stadt wie New York oder Washington leben könnte. Ich denke ein ländlicher Ort wäre mir zum einen zu dezentral und zum anderen würde mir der Stellenwert von Religion irgendwann zur Last fallen. Ich könnte mir einfach nicht vorstellen, für immer an einem Ort zu leben, an dem man ohne Auto keinen Supermarkt und keinen größeren Ort erreichen kann. Ich finde auch einfach, dass man bemerkt, dass die USA einfach ein noch sehr, sehr junges Land sind, welches ganz schnell aufgebaut wurde. Die Wohngebiete sehen generell alle sehr ähnlich aus, weil die Straßen und Häuser in Blocks eingeteilt sind und die Häuser scheinen auch größtenteils nach einem Muster gebaut zu sein. Da ich aber ganz begeistert davon bin, wenn eine Umgebung bunt und durchmischt ist und man viel Geschichte, Kunst und Kultur in einem Land finden kann, würde mir dieser Teil hier auf Dauer wohl fehlen.
In Großstädten sähe das, wie gesagt, vielleicht anders aus. Ich habe aber natürlich auch einen ziemlich eurozentristischen Blick und habe hier jetzt gerade einmal 1,5 Monate verbracht. Ich denke, wenn ich komplett in den USA studieren würde, dann müsste ich eine Reihe persönliche Lösungen für mich finden, zum Beispiel schon allein was Ernährung angeht. Mir fiele es sonst einfach zu schwer, dass das meiste frittiert ist und zum Beispiel Wasser ein so unübliches Getränk ist, dass man am Getränkespender erst einmal danach suchen muss. Das gleiche gilt auch für Umweltschutz. Mir ist Recycling und ein gewisses Bewusstsein für Verschwendung einfach relativ wichtig. Hier ist die Verwendung von Plastik wirklich überdimensional. Recycling gibt es zwar, aber das bedeutet eben, dass es neben dem Restmüll einen gelben Sack gibt, in den Glas, Plastik, Papier und alles andere was man so weiterverwenden kann, geworfen werden. (Am Anfang war ich echt überfordert, was ich überhaupt mit meinem Müll anstellen soll! :D)

Mit alldem könnte ich für eine unglaublich tolle Karrierechance oder einen anderen wirklich guten Grund aber wohl noch gut zurechtkommen. Allerdings merke ich hier jeden Tag aufs Neue, das ich eigentlich gar nicht für immer ohne meine Leute und Familie sein will. Deshalb würde es wohl bereits daran scheitern.




Sonntag, 11. September 2016

21!

Jeder, der mich kennt, weiß: Was Geburtstage angeht, bin ich wie ein kleines Kind. Schon Wochen vorher habe ich Vorfreude im Bauch, plane meine Feier und weiß genau, was ich anziehen werde und welchen Kuchen es geben soll. Am Abend vorher bin ich aufgeregt und an meinem Geburtstagsmorgen wache ich in der Regel mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einem Hüpfen im Herzen auf. Dieses Jahr war alles anders: 
Die Geburtstags-Crew
Als mein Morgens-Ich aufwachte und sich noch in einer nicht-irdischen Dimension befand, wusste ich, dass heute irgendwas war. Als ich auf mein Handy schaute, war ich wieder im Hier und Jetzt angekommen. Da es in Deutschland schon Nachmittags war, befanden sich unzählige Geburtstags-Nachrichten von liebsten Menschen auf meinem Handy. Und ich gehöre zu den Menschen, die sich über jede Nachricht einzeln freuen. (Danke nochmal, ihr da draußen!) Als ich mich dann noch ein Mal (na gut, vielleicht auch zwei... oder drei... na gut, 4 Mal!) im Bett umdrehte und dem Aufwachen eine zweite Chance gab, lief es besser. Ich wachte also nochmal auf, dieses Mal mit einem Geburtstagsgefühl im Bauch und einem Grinsen im Gesicht. Als ich dann mit Familie und Freunden skypte, überkam mich Heimweh. Meine Familie saß am Esstisch beim klassischen Vehling-Geburtstagskaffee und ich konnte nicht dabei sein. Dann also Do-it-yourself! Fest entschlossen, mir einen schönen Tag zu gönnen, machte ich mir selbst ein Geburtstagsfrühstück aus Oat Meal und Obst und gab mir ganz besonders viel Mühe dabei, mich fertig zu machen. 
Birthday-Cupcakes!
Perfektes Geburtstagswetter :)
Da ich mich bisher eher zurückhaltend in der WG hier verhalte, hatte ich dann fast ein bisschen Angst, spezielle Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Sorge stellte sich dann aber als unbegründet heraus, da ich so oder so fast allein im Haus war. Das International-Programm bringt einem hier Kuchen zum Geburtstag vorbei, der von älteren Damen gebacken wird, die Lust haben, Fremden eine Freude zu machen. Ich hatte also für 15:00 Uhr nicht nur meine WG zu einem kleinen Get-Together und Kuchen eingeladen, sondern mich dazu entschlossen, einfach alle möglichen Leute, die ich flüchtig kenne, zu fragen, ob sie vorbei schauen wollen. Und was erwartet eine Deutsche, wenn sie Leute um 15:00 einlädt? Genau - dass diese pünktlich sind. Da saß ich also um 15:00 und wartete (ohne Kuchen). Um 15:15 wurde es dann langsam komisch (auch ohne Kuchen). Um 15:30 versank ich (ohne Kuchen) im Selbstmitleid. Das Kuchenprogramm gilt, wie ich später herausfand, nur für Geburtstage, die nicht am Sonntag sind. Die Menschen hier kommen, wie ich später herausfand, irgendwann ab 15:00, wenn man 15:00 sagt. 
Asiatisches Essen, Downtown

Ein Glück, dass die Leute dann doch alle noch langsam eintrudelten und es ein 
überraschend schöner Nachmittag wurde. Eine Freundin von mir backte sogar Cupcakes für mich! Ich bekam auch super liebe Geschenke (was mir aber echt unangenehm war, weil ich das nicht erwartet hatte). Mein Favorit darunter waren dicke Socken, die ich von meiner lieben amerikanisch-koreanischen Mitbewohnerin bekam, weil sie bemerkt hatte, dass ich immer die dicken Socken, die ich jedes Weihnachten von meiner Oma bekomme, trage - ich hatte ihr auch erzählt, dass ich nicht genug Stricksocken mitgebracht habe und diese jetzt schrecklich vermisse! :D 
Für warme Füße ist jetzt
auch ohne Omas
Socken gesorgt!
Abends ging ich dann noch mit den beiden Teaching Assistants aus Frankreich und Spanien asiatisch essen. Wegen des perfekten Geburtstagswetters konnten wir sogar draußen sitzen. Ich war stolz, als wäre ich grade 16 geworden, als ich meinen ersten Wein in den USA bestellte. Als die Kellnerin nach meinem Ausweis fragte, wurde daraus aber leider doch nichts, weil ich meinen Ausweis natürlich zu Hause liegen lassen hatte. Congratulations, Lea!

Wir stießen dann also mit einer unschuldigen Cola Light an und haben somit jetzt einen Grund mehr, nächstes Wochenende Abends auszugehen und meinen ersten legalen Vino in den USA zu zelebrieren! Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich jetzt alle Rechte habe, die man in den USA so haben kann. Auch, wenn ich mein zu Hause heute ganz besonders vermisst habe, bin ich froh, dass ich so eine tolle Familie und so viele liebe Freunde habe, die an mich gedacht haben! Letztendlich ist Geburtstag auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans eben auch nur ein Tag, der dich ein Jahr älter werden lässt.




Freitag, 9. September 2016

Leben und Lernen am Hope College

Seitdem die Kurse am College losgegangen sind, gefällt es mir immer besser. Obwohl hier jeden Tag Hausaufgaben anstehen, die man dann am nächsten Tag abgeben muss und welche auch benotet werden... Ich muss aber gestehen, dass es viel bringt, um in der Thematik mitzukommen. Die Betreuung der Studenten ist hier auch viel persönlicher. Wenn du Fragen zum Unterricht oder zu den Hausaufgaben hast, setzt sich der Professor noch am selben Tag mit dir hin und geht den Inhalt nochmal mit dir durch. Trotzdem fühle ich mich manchmal in meiner Selbstständigkeit "beraubt", weil ich es gewohnt bin, alles für mich selbst zu klären. Hier steht man viel mehr unter der Beobachtung der Professoren, ist zum Einkaufen auf die Shuttles des Colleges angewiesen und hat einen "Leiter" in der WG. Während das Studium an der Uni Göttingen "Studium=Selbststudium" bedeutet, ähnelt das Studium am Hope College (bzgl. der Struktur) eher unserem Oberstufenunterricht.
Welcome to Fried Cottage. Hier lebe ich.

Ich belege dieses Semester drei Kurse: Atmosphere and Environmental Change, ein Projektseminar, in welchem man ein Umweltproblem untersuchen soll und British Literature. Des Weiteren arbeite ich für das "Department of Modern and Classical Languages" als Teaching Assistant und beschäftige mich mit den Deutschstudenten des Hope Colleges. 
Meine Aufgabe ist es, Kurse zu geben, in denen die Studenten in deutsche Konversationen verwickelt werden. Thema kann dabei alles mögliche sein, was Kultur und Geschichte Deutschlands angeht. Für meinen Job habe ich sogar ein eigenes Büro, das ich mir mit einem französischen Mädchen teile, die den gleichen Job für das French Department macht! Das ist natürlich nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Lernen echt cool.
Außerdem helfe ich dem leitenden Deutschprofessor des Colleges dabei, ein audiovisuelles Vokabel-Lernprogramm zu gestalten. Das klingt alles gar nicht so viel, aber der Arbeitsaufwand ist so hoch, dass man eigentlich von morgens bis abends beschäftigt ist.
Da das öffentliche Verkehrssystem hier aber quasi non-existent ist, ist man eh recht stark an den Campus gebunden, sodass es auch gar nicht so viele Möglichkeiten gibt, seine Freizeit zu gestalten.
Zwar wohne ich in einer Stadt ("Holland"), aber diese "Stadt" ist genau eine Straße lang (das meine ich tatsächlich ernst) und hat weder Supermarkt, noch eine richtige Busanbindung, noch ein sonstig großes Angebot. Wegen seines niederländischen Erbes hat die Stadt allerdings viele Touristenshops, Restaurants und Bars. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, mir diese Bars mal genauer anzusehen, wenn ich endlich 21 bin!
Ich wohne hier gemeinsam mit 7 weiteren Mädels in einem Cottage auf dem Campus. Das Zusammenleben ist bisher leider noch hauptsächlich ein Aneinander-Vorbei-Leben, aber ich merke Tag für Tag, wie wir uns mehr aufeinander einstellen. Meine Mitbewohnerinnen sind zum Glück alle nett! :) Aber generell habe ich das Gefühl, dass es hier schwierig ist, Leute richtig kennenzulernen. Vielleicht liegt es daran, dass es in Amerika einfach dazu gehört, dass alle Leute super freundlich zueinander sind und ich das als Deutsche (:D) gar nicht so gewöhnt und deshalb verwirrt bin!
Mein Büro


Es gibt schon viele große Unterschiede zu Deutschland. In guten wie in schlechten Hinsichten. Ich genieße hier zum Beispiel sehr, wie weitläufig alles ist, umgeben von wunderschönen Landschaften. Auch das Angebot an Veranstaltungen des Colleges gefällt mir. Außerdem bietet der Literaturunterricht hier viel mehr Raum für Diskussionen, was ich mir für Deutschland auch wünschen würde!
Ich finde es auf jeden Fall trotzdem lustig, dass man so oft hört, dass die USA ähnlich zu Deutschland wären, weil beide westliche Länder seien. Das empfinde ich nämlich kein bisschen so - für mich sind die Kulturen ganz verschieden!
So sieht mein Zimmer mittlerweile aus:
Make a living, make a home!

Es gibt hier eben viele Dinge nicht, die es in Deutschland gibt und die ich deshalb vermisse. Dazu gehören nicht nur deutsche Schokolade, deutsches Brot und Club Mate, sondern auch meine Familie und meine Freunde. ;) 

Nein ernsthaft: Ich wusste bereits vorher, dass ich meine Leute echt mag, aber jetzt weiß ich es wirklich! Auch wenn es insgesamt nicht mal ganz 10 Monate sind, fehlen mir meine Familie und Freunde oft. Besonders dann, wenn man Bilder oder Videos empfängt, die einem zeigen, wie schön es zu Hause sein kann. Aber man will wohl immer das, was man gerade nicht haben kann. Ich weiß schließlich noch genau, wie sehr ich dieses Stipendium haben wollte und ich bin auch sehr dankbar, es bekommen zu haben! Und letztendlich wachse ich hier Tag für Tag ein bisschen darin, mich selbst zu überwinden und mich an fremde Umgebungen anzupassen! Ich freue mich allerdings riesig darauf, dann endlich 21 zu werden und eine "richtige" Erwachsene in den USA zu sein! :D

Mittwoch, 7. September 2016

International Students Orientation

Als ich in Grand Rapids landete, wurde ich von Jason und Sarah, zwei Couchsurfern, abgeholt. Die beiden haben mir echt nochmal bewiesen, wie sehr es sich lohnt, zu couchsurfen! Die beiden gaben mir das bequemste Bett, das ich mir hätte wünschen können und waren super offen und lieb! 
 Eigentlich hatte ich vor, nur die Nacht bei den beiden zu schlafen und am nächsten Morgen direkt in den Fernbus nach Holland in Richtung College zu steigen. Da wir uns aber so gut verstanden, frühstückten wir am nächsten Morgen noch gemütlich zusammen und die beiden baten mir an, mich mit dem Auto nach Holland zu fahren und mir noch die Gegend zu zeigen. Dieses coole Angebot nahm ich natürlich sofort an und so habe ich vor meiner Ankunft noch einen Abstecher zum Lake Michigan und eine Tour durch die Kleinstadt, die ich jetzt vorübergehend mein "zu Hause" nennen darf, gemacht.
Ich war von allen Freshmen (also den neuen Studenten) die zweite, die ankam. Wir internationalen Studenten waren so oder so die ersten auf dem Campus, was bedeutet, dass ich auf einem fast vollkommen leeren Gelände ankam. Die Orientation Assistants zeigten mir das Cottage, in dem ich nun lebe und dann hieß es: Taschen auspacken.
Mein (Einzel-)Zimmer!
Es war wirklich nicht viel auszupacken, da ich kaum Kleidung mitgebracht hatte, um die Möglichkeit zu haben, vorher durch den Osten der USA zu backpacken.
Da saß ich also in diesem riesigen, alten, knartschenden Cottage, ganz allein und völlig überfordert mit mir selbst. Durch meine Reise hatte ich mich schließlich daran gewöhnt, nie allein zu sein. Mehr als zwei Wochen Tag für Tag mit mindestens sechs anderen Personen im Zimmer zu übernachten und immer Leute um sich zu haben, macht nämlich, wie ich jetzt herausfinden durfte, ganz schön abhängig! Und so überkam mich die erste richtige Welle Heimweh. In der Nacht schloss ich (ja, ich bin ein Angsthase) vorsorglich die Kellertüren des Hauses ab und versuchte zu ignorieren, dass die Situation gerade den perfekten Start für einen Horrorfilm abgeben würde.
Baden in Lake Michgan :)

In den nächsten Tagen hatte ich dann aber volles Programm, weil die Orientierungsphase begann, als alle internationalen Studenten (insgesamt 51 Leute) angekommen waren. Die Orientierungsphase ist allerdings keineswegs vergleichbar mit der O-Phase, wie wir sie von deutschen Universitäten kennen. Vielmehr ging es bei dieser Orientierung um Schulungen, die das College, die Kultur und die Gesetzeslage in den U.S.A. betrafen. Nach zwei Tagen fuhren wir dann aber nach Nord-Michigan, was echt beeindruckend war. Dieses Gebiet ist praktisch menschenleer. Die Busfahrt führte uns stundenlang durch endlose Wälder, in denen weder Häuser, noch irgendetwas anderes zu sehen waren.
Wir kamen dann in einem christlichen Camp an, in welchem wir viel Teambuilding und andere Gruppenaktivitäten machten. Ich tat mich etwas schwer damit, mich darauf einzulassen, weil das Programm nicht nur vorgegeben, sondern auch verpflichtend war, wodurch ich mich etwas in meiner Selbstständigkeit beraubt fühlte. Generell muss ich sagen, dass das
Mackinaw Island
einer der größten Unterschiede zu Deutschland 
für mich ist: Man ist als College-Studentin absolut abhängig von dem College selbst. Die Mitarbeiter nehmen einem hier jedes Problem ab, wodurch man schnell das Gefühl bekommt, dass einem nichts zugetraut wird. Daran, dass es einfach normal ist, dass es hier so läuft, musste ich mich erst gewöhnen.
Am letzten Tag des Nord-Michigan-Trips fuhren wir dann nach Mackinaw Island. Die Insel ist berühmt für die Herstellung der Süßigkeit "Fudge" und liegt im Lake Huron. Das besondere ist, dass es auf der Insel keine Autos gibt, was man der Qualität des Seewassers und der Luft definitiv anmerkt.
Als wir zurück zum College kamen, ging die Orientierung noch ein bisschen in der näheren Umgebung weiter - Wir machten zum Beispiel einen Abstecher zu Lake Michigan, grillten dort und gingen anschließend schwimmen. Das war echt ein schöner Tag. Das Wasser ist unglaublich klar und nicht salzig, was echt cool war! Und dann begann so langsam das richtige Collegeleben. Ich machte die letzten Feinschliffe an meinem Stundenplan und dann gingen die Kurse auch schon los!

Washington D.C. und meine Reise nach Michigan

Beim Verlassen von Philly war ich dann nicht ganz so schwermütig wie beim Verlassen meines geliebten New Yorks. Nachdem ich nun mit NYC das Extrembeispiel einer riesigen Großstadt und mit Philadelphia einen ziemlichen Gegensatz hatte, kam mir Washington nun die Mischung auf mich zu.
Sobald ich aus der Metro ausstieg, traf ich durch Zufall zwei deutsche Leute, mit denen ich ins Gespräch kam, woraufhin sich herausstellte, dass wir nicht nur auf dem Weg zum gleichen Hostel waren, sondern, dass wir bereits in New York ein Hostel geteilt hatten. Als ich in meiner Unterkunft ankam, fühlte ich mich direkt wohl. Der Inhaber (der übrigens nebenbei auch als Background-Tänzer von Taylor Swift arbeitet - why not?) war total cool
Obama? Bist du es?
drauf und alle Leute im Hostel schienen direkt befreundet zu sein. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht nur zwei Leute aus meinem New Yorker Hostel, sondern auch zwei weitere aus meinem Philly-Hostel wiedertraf. Großes Land, kleine Welt!
Das schöne an Washington ist, dass es zwar eine Großstadt ist, aber alles trotzdem gut zu erreichen ist (sogar meist zu Fuß). Diese Stadt scheint bald aus Fülle von kulturellem 
Angeboten zu platzen. Natürlich führte mich mein erster Weg direkt zum weißen Haus, um Obama zuzuwinken. Er hat aber nicht zurück gewunken. 

In Washington gibt es eine Institution, die sich "Smithsonian Institution" nennt und dafür sorgt, dass man in die allermeisten Museen gratis hinein kommt. Und diese Museen sind auch noch richtig gut. Zum Beispiel führte mich mein Weg zum National Museum of American History, was mir dieses Land auf jeden Fall etwas näher gebracht hat. Auch das Spy Museum, das sich mit dem amerikanischen (aber auch mit dem deutschen)
Geheimdienst beschäftigt, habe ich mir nicht entgehen lassen. Auch wenn ich gestehen muss, dass die Hälfte des Museums aus Propaganda zu bestehen scheint, war es wirklich interessant. Außerdem tat es gut, sich in den kühlen Museen aufzuhalten, während es draußen fast durchgängig um die 40 Grad Celsius warm war. Diese Stadt hat mich das ganze Air Conditioning hier echt zu schätzen gelehrt!
Washington war wirklich die perfekte Mischung: Tagsüber Sightseeing, Abends mit den Leuten aus dem Hostel rumhängen. Ob wir nun die Olympics zusammen geschaut haben (na gut, ich gebe zu: So richtig mitgefiebert habe ich nicht), oder zusammen gekocht und dann die Zeit in der Küche vergessen haben - es war immer jemand zum quatschen da.

In den letzten zwei Tagen habe ich dann noch zwei deutsche Jungs aus Mainz
kennengelernt, die lustiger Weise auch Geographie studieren. Wir waren gefühlt innerhalb von 5 Sekunden Freunde und haben uns echt alle drei super verstanden und dann noch die letzte Zeit zusammen verbracht. Als dann mein Flieger nach Michigan ging, ging auch der Flieger der Jungs nach Kanada, wo sie einen Roadtrip machen wollten. Ich war echt froh, dass ich nicht allein zum Flughafen fahren musste, weil ich ca. zwei Stunden pro Tag damit verbrachte, mich zu verlaufen... und dabei studiere ich doch Geographie!
Als ich dann im Flieger nach Michigan saß, bin ich mit einer Stewardess ins Gespräch gekommen, die nichts zu tun hatte, weil nur 10 Passagiere an Bord waren. Wir haben uns
Sie muss gewusst haben, wie
glücklich man mich mit Schokolade macht!
direkt super verstanden. Als sie mir eine heiße Schokolade gebracht hat, habe ich mich so 
gefreut, dass sie mir ganz viele Pakete für Instant Hot Chocolate geschenkt hat. Daraufhin bat sie mir sogar an, sie zu besuchen, falls ich mal durch den Süden reisen sollte, wo sie her kommt.
Als das Flugzeug meinem Ziel (Grandrapids, MI) dann immer näher kam und ich aus dem Fenster schaute, wurde mir so langsam bewusst, wo ich landen würde. Von oben konnte ich die Weite dieses Staates überblicken. So weit das Auge reicht: Nichts als Felder mit ein paar Tupfern aus Häusern dazwischen, die mir versicherten, dass dieses Gebiet überhaupt schon besiedelt wurde. Willkommen in Michigan, Lea!

Philadelphia

Als ich in Philadelphia ankam, war ich erst einmal geschockt: Keine vollkommen überfüllten Straßen, kein Gehupe, keine gelben Taxis soweit das Auge reicht. 

Als ich aus dem Bus ausstieg, sah ich zu aller erst Schulklassen, die wohl einen Ausflug in die historische Stadt machten und ein paar ältere Damen beim Kaffee trinken.
Ich muss dazu sagen: Ich war in einem Teil Philadelphias, der sich "Old City" nennt und ziemlich ruhig ist. Beinahe zu jedem Block gehört ein kleiner Park, in dem Leute sitzen und Bücher lesen und dabei wahnsinnig intellektuell aussehen. Durch die ganze Stadt ziehen sich außerdem Schilder, auf denen Fakten zur Geschichte und Entstehung der Stadt stehen.
Ich wünschte ich könnte noch viel mehr zu dieser Stadt schreiben, aber um ehrlich zu sein, hat man Philadelphia innerhalb eines Tages rundherum gesehen. 
Obwohl die Stadt ohne Zweifel interessant ist (schließlich ist sie praktisch der Geburtsort der U.S.A.), ist sie - vor allem, wenn man grade aus NYC kommt - schnell erforscht.
Ich ließ mich also dazu verleiten mein Pensum an Kulturhopping mal etwas herunter zu fahren und ein bisschen mehr Zeit im Hostel zu verbringen. Das Hostel, in dem ich lebte war zwar sehr gemütlich, aber trotzdem fühlte ich mich dort nicht so richtig wohl. Die Mitarbeiter dort arbeiten nicht für Geld, sondern für Unterkunft. Hauptsächlich sind es also junge Leute, die gerade auf eine Arbeitserlaubnis oder einen Studienplatz warten und selbst neu in der Stadt sind. Das ist wohl der Grund dafür, dass die Mitarbeiter wie wild darauf sind, ihre Gäste zum trinken und feiern zu verleiten.
Es ist nicht so, dass ich nicht gerne feiern gegangen wäre, aber leider bin ich gerade noch 20 und komme damit in keine amerikanischen Bars oder Ähnliches rein. Da ich Angst hatte mein Stipendium zu verlieren, wollte ich nichts riskieren und so blieb ich Abend für Abend zu Hause, was das Socializen etwas schwierig gestaltete. 

Nachdem ich die Liberty Bell (die übrigens zum letzten Mal an George Washingtons Geburtstag geläutet hat und im Zuge der Unabhängigkeitserklärung zum Zeichen der Freiheit wurde), die Rocky Steps, die Independece Hall und gefühlt auch den ganzen Rest der Stadt erkundet hatte, bestand mein Philly-Aufenthalt also vielmehr darin, mit einem Buch im Park zu sitzen - so wie es mir die Einwohner ja bereits vorgemacht hatten.

New York City

Hallo Times Square!
Mehr als einen Monat ist es nun schon her, dass ich mitten in New York aus dem Flieger stolperte und von nun an auf mich selbst gestellt war. Mit einem Rucksack auf dem Rücken und definitiv zu vielen Taschen in der Hand machte ich mich ganz nach dem Motto "Low Budget" mit der Ubahn auf den Weg nach Queens zu Ben, einem Couchsurfer, bei dem ich die ersten drei Nächte übernachten konnte.
Mein erstes Mal (allein) Couchsurfen war echt eine coole Erfahrung, auch wenn ich immer wieder Angst hatte, zur Last zu fallen - aber diese Angst muss man wohl einfach ablegen, wenn man auf der Suche nach einem kostenlosen Schlafplatz in New York City ist. Es war auf jeden Fall hilfreich bei einem New Yorker zu wohnen, weil Ben mir nicht nur Geheimtipps bezüglich der Stadt geben konnte, sondern auch seine Erfahrungen bezüglich 09/11 (Die Anschläge auf die Twin Towers) und Hurricane Sandy teilte. 

 Da man aber natürlich immer an die Zeiten des Gastgebers gebunden ist und mich der Jetlag in den ersten Tagen auf Schritt und Tritt begleitete, war ich trotzdem echt froh, ein richtiges Bett zu haben, als ich nach drei Tagen nach Brooklyn umzog.

Das Hostel lag inmitten von Brooklyns alternativer Hipster-Szene, in einem Loft, das nicht nur eine Dachterrasse und einen riesigen Außenbereich, sondern auch super coole Gäste zu bieten hatte. Auch wenn es cool war, die Stadt auf eigene Faust zu besichtigen und sich so viel Zeit zu lassen, wie man nun mal braucht, war es schön, mal wieder unter Leuten zu sein!
Ich lernte direkt meine australische Zimmernachbarin Sarah kennen, mit der ich dann den Tag verbrachte. Daraufhin traf ich jeden Tag neue coole Leute aus aller Welt, sodass ich nun Irländer, Indonesier, Kanadier und Australier zu meinen Freunden zählen darf.
The city that never sleeps
Nachdem es mir (als Burgdorferin/Göttingerin) am Anfang schwer fiel, mit der ganzen Hektik der Stadt umzugehen, fing ich nach ein paar Tagen an, diese Stadt zu lieben!
An jeder kleinen Ecke New Yorks findet man Kunst und kleine Besonderheiten. Ich würde NYC zwar nicht als hübsch, aber definitiv als unglaublich bunt und auf seine eigene Weise wunderschön beschreiben!
Man kann nur schwer ein Ende finden. Es gibt so viel zu sehen: Ich konnte für 30 Dollar ein Last-Minute-Ticket für The Phantom of the Opera ergattern, die Stadt auf dem Empire State Building von oben betrachten (was mir übrigens echt den Atem geraubt hat), das Museum of Modern Arts erkunden, meine Zeit in Brooklyns coolen Coffeeshops vertrödeln oder der Public Library New Yorks zu Füßen fallen.
Nach ein paar Tagen lernte ich dann (wie es in der Stadt der Künstler wohl sein muss) einen Kunststudenten kennen, der mich ins Metropolitan Museum of Art mitnahm. Es war echt etwas besonderes, die Ausstellungen mit jemandem zu erleben, der eine besondere Beziehung zu Kunst hat. Anschließend schlenderten wir noch durch den Central Park, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Glühwürmchen zu Gesicht bekam (Highlight!!). Und  wo mir die Ehre zu Teil wurde, von dem Kunststudenten skizziert zu werden. Auch wenn ich aussehe, als ob ich einen Kuss-Mund machen würde, erkenne ich mich definitiv wieder! :D 
Das soll also ich sein

Die Zeit in New York war so unglaublich für mich, dass ich am liebsten direkt dort geblieben wäre. Aber wenn ich an jedem Ort der mir gefällt bleiben würde, müsste es mich wohl mehrmals geben. Und so stieg ich nach 10 Tagen - wenn auch schweren Herzens - in den Fernbus nach Philadelphia ein. Ich bin mir aber ganz sicher, dass New York und ich uns nicht zum letzten Mal gesehen haben! ;)