Freitag, 16. September 2016

Fragen, die mir immer wieder gestellt werden

Was ist der extremste (negative) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Ganz klar: Das Öffentliche-Verkehrsmittel-System!
Am meisten beeinträchtigt mich, dass man hier ohne Auto wirklich abgekapselt von der Welt außerhalb des Campus ist. Während man in DE selbst auf dem Land immer irgendeine Möglichkeit findet, in den nächsten Ort oder die nächstgrößere Stadt zu gelangen, existiert diese Möglichkeit hier nun mal überhaupt nicht. Klar, es gibt einen Zug nach Grand Rapids und auch nach Chicago. Aber diese Züge fahren nur einmal am Tag und zwar zu Zeiten, die es unmöglich machen, einen Tagestrip zu machen. Es gibt auch einen Bus, aber mit dem kommt man leider auch nicht viel weiter als zu Fuß! Ich denke, dass es wunderschön ist, so viel Natur um sich zu haben, aber ich fände es schön, wenn ich diese auch mal erkunden könnte - Das war mir bisher noch nicht möglich, da ich nun mal kein Auto habe.

Was ist der extremste (positive) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Was ich hier sehr schätze, ist der sehr persönliche Umgang mit den Studenten am Hope College. Ich denke, dass die Einzelkämpfer-Mentalität in Deutschland manchmal etwas überhand nimmt. Wenn ich in Deutschland mit meinen Hausaufgaben zum Professor gehen würde, um Hilfe zu beanspruchen, würde das nicht wirklich gut ankommen und einem vielleicht sogar als negativ angerechnet werden, weil man nicht selbstständig arbeitet. An sich finde ich es zwar gut, dass man in Deutschland seinen eigenen Weg finden darf und muss, aber wenn man etwas gar nicht versteht, ist es bei uns eher die Regel, einen privaten Nachhilfelehrer zu suchen. Hier kann man sogar mit kleineren Fragen zum Prof. gehen und er heißt einen gern willkommen. Auch das Interesse am Privatleben ist hier viel größer. Wenn man grade sehr im Stress ist, sind die Professoren dazu bereit, das zu berücksichtigen. In Deutschland hingegen kennen die Dozenten oft nicht mal die Gesichter ihrer Studenten.
Ich - für mich persönlich - komme mit dem deutschen System wohl trotzdem besser klar, weil ich gerne meine eigene Ordnung und Zeitplanung habe, aber ich bewundere das Angebot jederzeit Unterstützung bekommen zu können am Hope College!


Was machst du in den Semesterferien, wenn alle nach Hause fahren?

Während alle anderen internationalen Studenten über Weihnachten (4 Wochen) zurück ins Heimatland fliegen, plane ich die Zeit zum Reisen zu nutzen.
Auf dem Campus kann ich jedenfalls nicht bleiben, weil man das College über die Semesterferien verlassen muss. Abgesehen davon, wäre es hier im Winter, wenn niemand hier ist, noch einsamer. :D Ich werde wohl in ein wärmeres Gebiet fliegen, also entweder den Süden der USA bereisen oder durch Südamerika backpacken. Allerdings ist letzteres eher für nächstes Jahr geplant. Mal schauen - es wird auf jeden Fall ein ganz ungewöhnliches Weihnachten für mich. ;)


Ist es sehr schwierig, in den USA vegetarisch zu leben?

Ehrlich gesagt sind die Speisepläne hier tatsächlich nicht so gut auf vegetarische oder gar vegane Ernährung eingestellt. Natürlich ist es möglich, sich hier fleischlos zu ernähren. Besonders in den Dining Halls des Colleges klappt das gut, weil hier zu jeder Mahlzeit jeweils mindestens ein veganes und ein vegetarisches Gericht angeboten wird.
Allerdings ist das wirklich nicht überall so. Als ich in New York mit ein paar Freunden in einem Diner war, habe ich in die Karte geschaut und in jedem Gericht, sogar in den Salaten, war Fleisch enthalten. Auf meine Frage, ob irgendein vegetarisches Gericht angeboten würde, sagte der Mitarbeiter höchst verunsichert "Well, I could take the meat out of the burrito, I guess...". Die Ernährung hier dreht sich auf jeden Fall sehr viel mehr um Fleisch, als ich es aus Deutschland kenne. Allerdings bin ich auch froh, dass ich mich so oder so vegetarisch ernähre, weil die Amerikaner (Klischee bedient!) generell dazu neigen, die meisten Gerichte fettiger zuzubereiten, als es nötig wäre. Somit ist mit dem frittierten Gemüse eigentlich schon für alles gesorgt. ;)

Denkst und träumst du auf deutsch oder englisch?

Ganz unterschiedlich. Wenn ich über Dinge bezüglich des Colleges nachdenke, denke ich eigentlich immer auf englisch. Aber nach deutschen Telefonaten oder dem Deutschunterricht, den ich gebe, passiert es mir oft, dass ich Amerikanern auf deutsch antworte, oder sie sogar so anspreche, weil ich grade so auf Deutsch fokussiert war. Generell fällt mir das Hin-und-Her-Wechseln zwischen den beiden Sprachen echt schwer. Da es einige Studenten und Professoren an der Uni gibt, mit denen ich nur auf deutsch reden soll und der Rest natürlich nur englisch versteht, muss ich mehrmals am Tag spontan umswitchen, manchmal sogar innerhalb einer Konversation, wenn sich Amerikaner dazu gesellen. Ich bin also praktisch den ganzen Tag verwirrt :D
Ich würde aber sagen, dass ich größtenteils mittlerweile auf englisch denke, was wohl ganz normal ist, wenn einen diese Sprache den ganzen Tag umgibt. Es kommt sogar immer öfter vor, dass mir deutsche Wörter für einen Moment entfallen, oder ich automatische englische Wörter benutze, wenn ich auf deutsch rede. Beim Träumen ist mein Schlaf-Ich bisher offensichtlich ganz pragmatisch: Amerikaner reden englisch, Deutsche reden deutsch.


Könntest du dir vorstellen für immer in den USA zu leben?


Ich glaube, ich bin emotional viel zu abhängig von meiner Familie und von meinen Freunden in Deutschland, um irgendwann mal auszuwandern. Aber wenn ich es tun würde, dann würde ich es nur machen, wenn ich in einer großen und internationalen Stadt wie New York oder Washington leben könnte. Ich denke ein ländlicher Ort wäre mir zum einen zu dezentral und zum anderen würde mir der Stellenwert von Religion irgendwann zur Last fallen. Ich könnte mir einfach nicht vorstellen, für immer an einem Ort zu leben, an dem man ohne Auto keinen Supermarkt und keinen größeren Ort erreichen kann. Ich finde auch einfach, dass man bemerkt, dass die USA einfach ein noch sehr, sehr junges Land sind, welches ganz schnell aufgebaut wurde. Die Wohngebiete sehen generell alle sehr ähnlich aus, weil die Straßen und Häuser in Blocks eingeteilt sind und die Häuser scheinen auch größtenteils nach einem Muster gebaut zu sein. Da ich aber ganz begeistert davon bin, wenn eine Umgebung bunt und durchmischt ist und man viel Geschichte, Kunst und Kultur in einem Land finden kann, würde mir dieser Teil hier auf Dauer wohl fehlen.
In Großstädten sähe das, wie gesagt, vielleicht anders aus. Ich habe aber natürlich auch einen ziemlich eurozentristischen Blick und habe hier jetzt gerade einmal 1,5 Monate verbracht. Ich denke, wenn ich komplett in den USA studieren würde, dann müsste ich eine Reihe persönliche Lösungen für mich finden, zum Beispiel schon allein was Ernährung angeht. Mir fiele es sonst einfach zu schwer, dass das meiste frittiert ist und zum Beispiel Wasser ein so unübliches Getränk ist, dass man am Getränkespender erst einmal danach suchen muss. Das gleiche gilt auch für Umweltschutz. Mir ist Recycling und ein gewisses Bewusstsein für Verschwendung einfach relativ wichtig. Hier ist die Verwendung von Plastik wirklich überdimensional. Recycling gibt es zwar, aber das bedeutet eben, dass es neben dem Restmüll einen gelben Sack gibt, in den Glas, Plastik, Papier und alles andere was man so weiterverwenden kann, geworfen werden. (Am Anfang war ich echt überfordert, was ich überhaupt mit meinem Müll anstellen soll! :D)

Mit alldem könnte ich für eine unglaublich tolle Karrierechance oder einen anderen wirklich guten Grund aber wohl noch gut zurechtkommen. Allerdings merke ich hier jeden Tag aufs Neue, das ich eigentlich gar nicht für immer ohne meine Leute und Familie sein will. Deshalb würde es wohl bereits daran scheitern.




1 Kommentar:

  1. Wer hätte gedacht, dass man über dich mal auf Spiegelonline stolpert und hier landet^^
    Weiter viel Spaß bei den Amis und Grüße,
    Felix(alias Xilef)

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