Mittwoch, 26. Oktober 2016

Sexueller Missbrauch an amerikanischen Colleges? Pssst, leise!!!

Seit Beginn des Semesters, 30. August 2016, wurden am Hope College 5 sexuelle Missbräuche gemeldet. Mit anderen Worten: Seit Beginn des Semesters hat durchschnittlich öfter als alle zwei Wochen sexueller Missbrauch on Campus stattgefunden. In nur acht Wochen waren also bereits 0,33% aller Studierenden dieses Colleges (als Täter/in oder Opfer) in sexuellen Missbrauch verwickelt.
Ich saß mit einer Bekannten in der Dining Hall und wir unterhielten uns über das College. Es kam zur Sprache, wie sicher Holland doch sei und, dass man sich an diesem kleinen, privaten, christlichen College vor nichts fürchten müsse. Das Mädchen, mit dem ich essen war, zog ihre Augenbrauen hoch. "Hast du es nicht gehört?" - Nein, ich hatte es nicht gehört. Sie erzählte mir, dass die Residential Assitants alle eine Email erhalten hätten, in der von vier Vergewaltigungen die Rede gewesen sei. Mehr wisse sie aber auch nicht. Na gut, die Aufklärung kommt bestimmt noch, schließlich kann eine solche Reihe an Straftaten an einem so kleinen College ja nicht unkommentiert bleiben. Kann sie doch.
Ich hielt meine Ohren und Augen offen. Keine Informationen vonseiten unserer Residential Assistants. Keine offene "Talk about it"-Runde. Nichts. Ich sprach meine Mitbewohnerinnen darauf an, die mir entweder keine richtige Antwort gaben, oder sagten "Wenn man im Minirock zu Partys geht und Alkohol trinkt..."
Alkohol ist keine Entschuldigung!!
Ich war mir sicher, dass die Täter/innen schon lange festgenommen wären, schließlich waren sie "reported" worden. Ich machte mir also nicht viele Gedanken darüber, bis mir irgendwann zufällig das Thema durch den Kopf ging. Als ich danach googelte, fiel mir fast die Kinnlade herunter. Waren die Taten gemeldet worden? Ja. War bekannt, wer die Täter/innen waren? Ja. Wurde bereits gegen die Täter/innen ermittelt? Nein.
Es heißt, die Geschädigten hätten sich an die Campus Safety und die psychologische Beratungsstelle des Colleges gewandt, aber sie würden keine Ermittlungen der Polizei wollen. Als ich mein Auslandsjahr begann, stellten sich diese Institutionen in der Orientierungsphase vor und sagten klar und deutlich, dass sie zwar vertraulich wären, aber sobald sie von einer Straftat hören würden, verpflichtet seien, dies an die Polizei weiterzuleiten. Brechen diese Institutionen hier wirklich in aller Öffentlichkeit die Regeln und es wird geduldet?
Auch wenn dieser User für "Wahrheit" plädiert, geht er doch davon aus, dass die Opfer einen "False report" gemacht haben?!
Campus Safety ist eine Art Campus-Polizei. Wir sprechen hier nicht von der Polizei der Vereinigten Staaten, sondern von einer Institution, die es zwar an jedem College gibt, die aber von jedem College privat engagiert und verwaltet wird. Campus-Safety ist, so wurde uns immer wieder gesagt, für alles der erste Ansprechpartner. Ungeziefer im Haus, Verletzungen, materielle Schäden in den Dorms, Straftaten on Campus: Ihre Nummer ist die erste, die wir wählen sollen.
Warum also melden vier Mädchen die sexuellen Missbräuche nicht direkt der Polizei, sondern den universitären Institutionen? Weil es ihnen seit dem ersten Semester eingebläut wird, weil sie sich schnelle Hilfe erhoffen und weil sie sich auf das College verlassen.
Bis heute sind die Schuldigen nicht festgenommen und noch nicht einmal vom College suspendiert. Sie gehen jeden Tag zu ihren Kursen, sitzen Sonntags in der Kirche und treffen sich mit ihren Freunden. Dieser Campus ist 3000 Studenten groß: Es ist darauf Verlass, dass man sich sehr viel öfter als zwei Mal im Leben sieht.
Man kann nun viel davon reden, dass das ein falsches Zeichen setzt, aber am Ende passiert es ja doch nicht noch einmal...dachte ich. Aber dieses Mal hat das falsche Zeichen Wirkung gezeigt. Vor einer Woche hat erneut ein sexueller Missbrauch auf dem Campus stattgefunden. Ist die Tat gemeldet worden? Ja. Ist bekannt, wer die/der Täter/in war? Ja. Wurde gegen den/die Täter/in ermittelt? Nein.
8 Wochen. 5 sexuelle Missbräuche. 0 Ermittlungen.
Unglaublich.
Im Internet werden Kommentare groß, in denen behauptet wird, dass es ja nicht ernst zu nehmen sei, wenn die Opfer nicht einmal bereit dazu gewesen seien, eine Aussage bei der Polizei zu machen. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass Campus-Safety für die Studierenden hier "richtige Polizei" bedeutet. Und ich denke, dass wir hier auch das zentrale Problem finden.
In Amerika ist Bildung ein Geschäft. Die Colleges leben von Geld. Geld kommt dann, wenn die Leute bereit sind, viel für die Schule zu bezahlen. Leute sind dann dazu bereit, wenn die Schule einen guten Ruf hat. Wenn in offiziellen Statistiken aber sexueller Missbrauch mit auf der Liste steht, kann der gute Ruf schon mal leiden. Das Ziel eines Colleges ist es also, so wenige Prozesse wegen Straftaten in der Evaluation zu haben, wie möglich. Und Prozesse kommen nur dann, wenn es eine Anzeige gibt.
Genau so ist es: Hope College sagt nichts und gibt damit sein "Ok"...
Opfer, die bereit sind, diese Vorfälle zu melden und dann plötzlich zu keiner Anzeige mehr bereit sind. Eine Campus-Safety, die von dem College selbst gesteuert wird. Fällt das Hope College da vielleicht unter die unzähligen Fälle, die kürzlich bekannt wurden, in denen es darum ging, dass nahe zu alle amerikanischen Colleges Meldungen sexuellen Missbrauchs totschweigen, zum Teil sogar verleugnen, um keine schlechtes Exposé zu veröffentlichen? (Siehe http://thehuntinggroundfilm.com/2016/06/its-on-us-to-see-act-stop/)
 Ohne Hope College selbst "angreifen" zu wollen, liegt dieser Gedanke nah. Des Weiteren ist das Thema Sexualität in Amerika einfach ein ganz anderer Gegenstand als in Deutschland. Hier spricht man nicht darüber, selbst wenn es um Gewalt geht - oder gerade dann. Es gibt sogar eine präventive alljährliche Aktion zum Thema "Vergewaltigung", bei welcher Studierende T-Shirts mit Nachrichten darauf gestalten, welche dann in den Dining-Halls aufgehängt werden. Dort war unter anderem zu lesen "They can take your innocence, but they can't take your soul". Hier ist nicht von Jungfäulichkeit, sondern von Unschuld die Rede. Ein Ausdruck mir Implikation...
Wir reden hier von einem sehr christlichen College. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass die allgemeine Verbundenheit zur Religion die Leute hier so unter Druck setzt, dass es sie daran hindert, für ihre Interessen aufzustehen.
Ich habe keine Angst, weil ich denke, dass es mir auch passieren könnte. Ich habe Angst, weil ich nicht will, dass jemand damit durchkommt, wenn er/sie einer Person den Rest des Lebens zerstört. Weil die "Safety" auf dem Campus eine Lüge ist. Ich habe Angst, weil ich wahrscheinlich Tag für Tag an den Täter/innen vorbei laufe und nicht einmal weiß, was sie getan haben. Weil die Opfer hilflos sind und weil ihnen die Schuld für "false report" zugeschoben wird und das, weil es jeder weiß, aber niemand hört. Und vor allem habe ich Angst, dass andere Opfer jetzt gar nichts mehr sagen. 
Durchschnittlich wird eine von fünf Frauen während ihrer Zeit am College sexuell missbraucht. 80% aller Missbrauchten melden die Tat nicht. 99,4% aller Sexual-Straftäter in den USA kommen ungestraft davon. (https://www.rainn.org/statistics/criminal-justice-system)
8 Wochen. 5 gemeldete sexuelle Missbräuche. 0 Ermittlungen.
Es steht schlimm genug um euer Land, Amerika. Wählt nicht auch noch Trump.

Freitag, 14. Oktober 2016

Mit Diabetes in die USA - Just (don't) do it!

Dafür, dass mir die Ärzte damals versprachen "Du wirst, auch mit Diabetes, ein ganz normales Leben wie jeder andere führen!", ist diese Krankheit ein viel zu zentrales Thema in meinem Alltag. Da ich es aber nicht einsehe, mein ganzen Leben Kompromisse zu schließen, laufe ich - was meine Diabetes angeht - immer mal wieder gern mit dem Kopf durch die Wand:
Als ich endlich die Zusage für mein Stipendium am Hope College hatte, musste ich mich also auch damit beschäftigen, wie ich in dieser Zeit meine Krankheit bezahlen würde. Ich telefonierte Krankenkasse um Krankenkasse ab, aber mit jedem Anruf, bekam ich eine weitere Absage: Die Krankenkasse waren alle dazu bereit mich für unvorhersehbare Krankheiten und Unfälle zu versichern, aber unter der Bedingung, dass jegliche Kosten meiner Diabetes ausgeschlossen wären. Ein ganz besonders freundlicher Mitarbeiter der privaten Partner-Krankenversicherung meiner KV fasste meinen Fall im besonders sympathischen Versicherungsangestellten-Ton so zusammen: "Wir werden uns ganz bestimmt keinen Schaden einkaufen - und bei allem Respekt, ökonomisch gesehen, sind Sie genau das für uns."
Zwischenzeitlich dachte ich, dass sich mein ganzes Auslandsjahr damit für mich erledigt hätte, denn es steht außer Frage, dass all die Dinge, die ich benötige (wie Insulin, Verbrauchsmaterial für die Insulinpumpe, Arztbesuche, ...), selbst in Deutschland auf Dauer unbezahlbar sind, wenn man diese Kosten privat tragen muss.
Da man in Deutschland aber nicht nur eine Versicherungspflicht, sondern auch ein Recht auf Versicherung hat, setzte ich mich mit meiner deutschen Krankenversicherung in Verbindung. Um nicht zu lügen: Auch diese versuchten erst einmal mich abzuwimmeln, aber hier profitierte ich dann einmal von meiner Sturheit bezüglich meines Lebens mit Diabetes. Ich fand heraus, dass die Krankenkasse gesetzlich dazu verpflichtet ist, meine Medizinkosten zu übernehmen, wenn ich mindestens drei Absagen von Krankenkassen für Auslandsversicherungen nachweisen könne. Ich nervte die Mitarbeiter der Kasse also so lange, bis wir uns auf den Deal einigten, dass sie die Kosten für meine Diabetes zumindest in dem Ausmaß der deutschen Kosten decken würden. Keine perfekte Lösung, aber besser als nichts.
Die Kosten für Insulin in Deutschland.
In Deutschland darf ein Arzt nur dann Rezepte verschreiben, wenn der Patient mindestens einmal im Quartal in die Sprechstunde des Arztes kommt. Und auch die Mengen an Medikamenten, die ein Arzt verschreiben darf, sind strikt begrenzt. Mit aller Kraft versuchte ich die Krankenkasse dazu bewegen, in meinem besonderen Fall eine Ausnahme zu machen, sodass ich genug Insulin für ein Jahr in die USA mitnehmen könnte. Aber es scheint, dass jeder Mitarbeiter der Krankenkasse Hase heißt und von nichts weiß - mir konnte jedenfalls niemand eine vernünftige Beratung gewähren. 
Die Kosten für Insulin in den USA.
Um die Gesetzte der Ärzte zu umgehen, probierte ich es also mit einem anderen Deal: Ich versuchte die Krankenkasse dazu zu überreden, einzuwilligen, dass ich zu verschiedenen Ärzten ginge, die mir alle unabhängig von einander Insulin verschreiben könnten. Da ich das Insulin aber mit meiner Krankenkassen-Karte bezahle, brauchte ich die Einwilligung der KV, dass sie die Kosten übernehmen würden. Es ging nur um diese eine Zusage: "Ja, wir werden für die Kosten der Jahresmenge an Insulin auf einen Schlag aufkommen".
Niemand (!) konnte mir diese Zusage geben. Ebenso wenig konnte mir jemand sagen, dass es nicht möglich ist. Selbst, als ich mich von einem Vorgesetzten zum nächsten und über alle möglichen Fachabteilungen hinwegtelefonierte, war es niemandem möglich mir eine verbindliche (und freundliche) Zu- oder Absage zu geben.
Die einzige Zusage, die ich mir sichern konnte war, dass die Versicherung einem einjährigen Dauerrezept für Verbrauchsmaterial der Insulinpumpe zustimmte. Damit konnte ich sichern, dass diese Produkte in regelmäßigen Abständen zu meiner Mutter geschickt werden, ohne dass ich zum Arzt muss. Meine Mutter schickt diese Produkte dann wiederum zu mir. Ja - es ist alles wahnsinnig kompliziert.

So kam es dann, dass ich mit nur recht wenig Insulin und anderem Diabetes-Kram in die USA loszog. Die Einreise war (wie gewohnt) eine einzige Tortur. Dieses Mal wurden meine Medikamente nicht nur einmal, sondern drei Mal durch den Security-Check gejagt (auch beim dritten Mal wandelte es sich nicht zu Sprengstoff...) und wurden dann auch direkt auf dem Band vergessen, sodass erst niemand wusste, wo meine Sachen nun waren. Ich hätte beinahe meinen Anschlussflug verpasst - hier nochmal ein herzliches Dankeschön an den Flughafen Manchester.
Seitdem ich in den USA war, war das alles dann kein Problem mehr. Ich hatte Insulin für die ersten zwei Monate dabei und hatte bereits einen Arzt gefunden, der mir mein Rezept verschreiben würde. Hiervon war ich auch sehr begeistert, denn das Hope College hat hier für jeden Studenten eine Art Fond, der sichert, dass man (auch ohne Versicherung) keinen Arztbesuch on Campus bezahlen muss. Ich bekam sogar eine "Rabatt-Karte", mit der ich Prozente auf Insulin bekomme. Und ja: Wir haben eine eigene Arztpraxis, eigene Krankenschwestern und einen eigenen Arzt in einem kleinen College mit 3000 Studierenden...
In Deutschland hatte ich mich bereits informiert: Allen Informationen (via Google) zufolge, würde mich das Insulin rund 200€ mehr kosten, als in Deutschland. Teuer aber machbar. Ich ging also zur Pharmacy, gab ihnen meine Rabattkarte und fiel fast hinten über, als mir die Apothekerin mit einem strahlenden amerikanischen Lächeln entgegenflötete "That's a total of $1200 with your discount card". Zum Vergleich: In Deutschland zahlt man für die gleiche Menge Insulin (ohne Rabatt!) zwischen 200 und 300 Euro.
An dieser Stelle hatte ich einen meiner ersten ernsthaften mentalen Breakdowns. Ich fühlte mich nicht nur ungerecht behandelt, sondern hatte auch ein Gefühl von Panik im Körper, da es hier schließlich um das Mittel geht, das mich am leben hält.
Und ganz ehrlich: Wer weiß, ob ich mein Auslandsjahr sogar abbrechen hätte müssen, wenn ich nicht so eine umwerfende Familie hätte.
Meine Eltern wollten die amerikanischen Kosten übernehmen. Aber ganz abgesehen davon, dass ich mit dem Stipendium finanziell unabhängig sein wollte, wäre es mir gar nicht möglich, so viel mit meiner 1000€-limitierten Studenten-Kreditkarte zu bezahlen. Und all das Geld aus dem Geldautomaten zu beschaffen, hätte Wochen gedauert, da ich auch ein Limit habe, wie viel ich pro Tag/Woche abheben kann.
Meine Helden! Danke! <3
Meine liebe, liebe Familie setzte dann aber mit vereinten Kräften alles in Bewegung, um mir zu helfen: Meine Schwester, welche mich eine Woche später eh besuchen sollte, brachte einen Arzt in Beratung mit meinen Eltern dazu, Rezepte für Insulin auszustellen, obwohl ich ein Jahr nicht in seine Praxis kommen kann. Im Gegenzug nimmt sie meine Krankenkassenkarte zurück nach Deutschland, welche er dann durch den Leser zieht. Während meine Eltern - von Russland aus - den Kopf hinter der Mission bildeten, waren es meine Schwestern und mein Schwager, die sich mit dem Arzt in Verbindung setzten und mir meine Medikamente besorgten. Meine Schwester musste dafür mit dem Zug einen Umweg von einem Ende Deutschlands bis zum anderen fahren und das Insulin, in der Hoffnung nicht vom Zoll ertappt zu werden, im Koffer transportieren. Und letztendlich stand sie dann mit dem Insulin für mehr als die nächsten 4 Monate vor der Tür.
All diese Probleme, die meine Diabetes mit sich bringt, machen mich wütend und traurig. Während es für übliche gesundheitliche Einschränkungen tausende Initiativen gibt, fällt Diabetes irgendwie einfach unten durch. Ich denke, dass es daran liegt, dass Diabetes Typ 1 eine nicht alltägliche Krankheit ist. Aber, dass es so schwer für Erkrankte ist, eine solche akademische Chance wahrzunehmen, erscheint mir einfach unglaublich ungerecht. Dass noch nicht viele diese Umwege gegangen sind, zeigen die spärlichen Google-Ergebnisse und die Ahnungslosigkeit der zuständigen Mitarbeiter bei Krankenkassen. Ich hoffe sehr, dass diese Barrikaden in Zukunft abgebaut werden, denn nicht jeder hat das Glück, eine so unglaublich hilfsbereite Familie zu haben. Ich habe jedenfalls drei Dinge gelernt:
1. Das Preise für Medizin in den USA sind eine Schande.
2. Ich bin unglaublich dankbar dafür, so tolle Menschen in meiner Familie zu haben.
3. Verlasse dich niemals auf die Ergebnisse bei Google.
Und jetzt genieße ich jeden Shot Insulin in vollsten Zügen. Cheers!

Montag, 26. September 2016

Chicago

Wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe: Großstadtluft! Na gut, um genau zu sein, habe ich exakt einen Monat und 24 Tage gewartet.
Denn das ist genau die Zeit, die ich fernab von allem verbracht habe, was man als mehr als ein Städtchen bezeichnen könnte. Ich war also unglaublich glücklich, als meine Freundin Katelyn mir und den anderen Teaching Assistants anbot, dass wir sie über das Wochenende zu ihren Eltern begleiten könnten, welche in einem Vorort Chicagos leben.
Yum Yum Yum :P
Bevor wir allerdings Chicago zu Gesicht bekamen, stand uns eine dreistündige Autofahrt von Holland zu Katelyns Elternhaus bevor, welche uns mitten durch das endlose Nichts Michigans führte. Als wir dann endlich ankamen, war ich absolut überwältigt davon, wie nett Katelyns Eltern waren. Nicht nur, dass wir, als wir ankamen, mit Frühstück versorgt wurden (wir waren um 7:00 morgens mit leeren Mägen gestartet),  sondern auch die Art und Weise, wie die Eltern sich uns gegenüber verhielten: Wir haben uns alle sofort zu Hause gefühlt! Nach dem Frühstück ging es dann nach Downtown Chicago, wo wir (natürlich) die großen Touri-Attraktionen, wie zum Beispiel "The Bean" und den Millennium Park
Am Navy Pier liegt dir Chicago
zu Füßen. Oder andersrum.
abklapperten und (oh Sünde!) genüsslich Chicago-Style-Pizza verköstigten. Am Abend spazierten wir den Navy Pier entlang und genossen die wahnsinnig schöne Skyline Chicagos, welche direkt an den Lake Michigan anschließt und mir das Gefühl von Großstadtleben gab. Es klingt vielleicht übertrieben, aber ich brauchte dieses Gefühl so dringend. Auch wenn ich weiß, dass es "typisch Amerika" ist, dass man so abgeschnitten von größeren Orten lebt, fällt es mir als Europäerin doch manchmal recht schwer, mich mit dieser - zum Teil etwas beengenden - Isolierung inmitten von Michigan abzufinden.
Es geht dabei gar nicht mal nur um die Infrastruktur, sondern auch um die Vielfalt der Menschen. Während in Holland, Michigan viele Menschen einen sehr ähnlichen Lebensstil führen (College, Familie, Kirche, eher konservativ), scheint die Bevölkerung in Großstädten einfach etwas bunter und auch liberaler zu sein. Ich habe mich in Chicagos Trubel jedenfalls sehr, sehr wohl gefühlt! Und ganz abgesehen davon, ist die Stadt an sich einfach sehr schön. Zwar groß, aber nicht ZU überfüllt und wirklich sauber!
Am Abend kamen wir dann zurück zu unserer Gastfamilie für das Wochenende (ich nenne sie so, weil sie mir wirklich vorkamen, wie eine richtige Gastfamilie!), welche für uns gekocht hatte. Wir saßen lange zusammen und unterhielten uns über Gott und die Welt. Mitten in der Nacht fuhren wir ein weiteres Mal nach Chicago. Unser Ziel war das Planetarium. Warum das Planetarium? Weil man von dort aus einen gigantischen Blick auf Chicagos Skyline bei Nacht hat. Auch wenn wir alle unglaublich müde waren und unsere Augen auf der Fahrt kaum offen halten konnten, war es den Blick absolut Wert!
Großstadt-Liebe

Trotzdem war ich glücklich, als wir zurück kamen und ich ins Bett fallen konnte. Am nächsten Morgen führte uns unser Weg dann in die Kirche. Es war eine (um ehrlich zu sein) etwas merkwürdige, aber interessante Erfahrung. Es war weniger Kirche, wie wir es kennen, sondern vielmehr eine Art "Bibelschule". Ein- und ausgeleitet wurde das ganze von einer Rockband, welche christliche Lieder spielte und bei dem Publikum mindestens so gut wie eine "echte" Rockband ankam. Der Hauptteil bestand dann daraus, dass ein Pfarrer an eine große Leinwand projiziert wurde, der sich nicht einmal in der Kirche befand. Gottesdienst via Skype... Na gut!
The Bean. Ich hoffe, der Künstler hat ganz viel
Geld bekommen. Das ist Kunst!
Während der Messe holten die Menschen der Gemeinde Notizbücher aus ihren Taschen und schrieben mit, was der Pfarrer sagte. Hauptsächlich interpretierte er Bibelstellen und wendete sie auf das private Leben an seinem eigenen Beispiel an. So gab er eine "Anleitung", wie man aus Phasen, in denen man lustlos (und in seinen Worten "von Satan verfolgt") wäre, herauskäme. Auch wenn die Kirche ganz interessant war, hüpfte mein Herz ein bisschen schneller, als wir bei einer Shopping Mall abgesetzt wurden und ich die Möglichkeit bekam, meinen sehr leeren Kleiderschrank etwas aufzupeppeln (ich hatte schließlich nur begrenzten Platz im Backpack). 
Internationales Chicago :P
(Spanien, Frankreich, USA, Deutschland)

Am Abend wurden wir dann von der Mall abgeholt und dann ging es auch schon wieder zurück zum Hope College. Ich war zwar traurig, Chicago schon wieder verlassen zu müssen, aber zum Glück werden wir vom College mit einem Shuttle bereits in zwei Wochen noch einmal nach Chicago gefahren. Es war auf jeden Fall wirklich ein wunderbares Wochenende und wirklich befreiend mal wieder Wirbel zu spüren! Es war auch schön, mal wieder Zeit in einer Familie zu verbringen, selbst wenn es nicht meine eigene (natürlich unschlagbare ;) ) Familie war. Die Mutter hat mir sogar Tee geschenkt, den ich beim Frühstück hatte und wirklich total gern mochte. Und für die nächsten Tage hat sie mir auch noch Reste vom Abendessen eingepackt! :D  Außerdem hat sie mehrmals betont, dass das Angebot stehe, dass ich jederzeit auch so zu Besuch kommen könne, wenn ich mal wieder "raus kommen" wolle. Es war wirklich ein Glück so lieben Menschen zu begegnen! 
Nach diesem schönen Kurztrip hieß es dann heute, am Montag, wieder: Back to school, back to reality. Auf bald, du schönes Chicago! 

Sonntag, 18. September 2016

Hallo Nachtleben!

Na gut, "Nachtleben" ist vielleicht etwas optimistisch. Aber immerhin kann ich jetzt in Bars gehen, ohne mir Gedanken über die Konsequenzen zu machen. 
Die Bar-Gang
Das haben drei Freundinnen und ich dann gestern auch direkt gemacht. In Begleitung der spanischen und französischen Teaching Assistants und einer Amerikanerin hatte 

ich Downtown meinen ersten Drink in einer Bar. Die ganze Woche war ich schon voller Vorfreude auf diesen Abend, weil ich nun mal echt gern ausgehe und mir das im "Land of the free" bisher verwehrt war. Es war auch echt cool, mal wieder eine Rechtfertigung zu haben, sich schick zu machen. Ich ziehe mich hier im Alltag nämlich genau so an, wie ich es auch in Deutschland tue und werde dafür immer wieder belächelt, weil ich in den Augen vieler Hope College Students overdressed bin. Ein Großteil der Leute tragen hier nämlich fast immer Sweatpants und Hope College T-Shirts. Ich finde das auch völlig in Ordnung, aber manchmal nerven mich die abfälligen Bemerkungen darüber, dass ich einen Rock oder Kleid trage. Ich habe sogar versucht mich anzupassen, indem ich manchmal mein Hope College Tshirt trage, aber zur Jogginghose im Unterricht konnte ich mich bisher noch nicht überwinden, weil ich mich damit einfach unwohl fühle.
Bea (spanische T.A.) und Katelyn (Amerikanerin)
Anpassung ist alles:
Hope College Shirt
Gestern war dann aber der Anlass gekommen und das nutzte ich auch aus. Wir starteten in einer Bar und zogen dann weiter. Es war wirklich interessant zu sehen, wie die Barkultur hier so aussieht. Während in Deutschland eher alle Leute mit Freunden ausgehen, konnte man hier viele Leute allein an der Bar sitzen sehen. Schon allein beim Eintritt wurde in einer der Bars nach dem Ausweis gefragt und trotzdem mussten wir uns beim Getränke bestellen ein weiteres Mal ausweisen. Das mit dem Alter war auch nicht wirklich einfach: 
Während unser deutsches Datumsformat auf den Ausweisen nämlich "Tag.Monat.Jahr" ist, ist es in den USA "Monat/Tag/Jahr". Das bedeutet, dass es für die Kellner so aussah, als ob ich erst am 09. November 21 Jahre alt werden würde. Gut, dass ich auch meinen richtigen Reisepass dabei hatte, auf dem das Datumsformat erklärt wird, sonst wäre das mit dem Vino wohl wieder nichts geworden! :D
So kam ich dann also doch noch zu meinem Cocktail in einer Bar, in der (Klischee!!) Countrymusik gespielt wurde und das Bier, welches ich von einer Freundin probierte, einfach furchtbar schmeckte! An diesem Abend fand offensichtlich auch eine Hochzeit in dem Ort hier statt, denn wo wir auch hingingen, wir trafen überall auf die Überreste der Hochzeitsgesellschaft und in der letzten Bar sogar auf die Braut und den Bräutigam, die von der gesamten Bar bejubelt wurden. Ich hätte mir gewünscht, dass es hier noch mehr Nachtleben im Sinne von Tanzfläche und DJ's gibt, aber es war trotzdem  ein sehr schöner Abend. Ich habe es echt vermisst, Abends mal auszugehen
Nach der Pizza: Alle sind glücklich, nur Bea
hätte gerne noch Nachschub! :D
- schließlich ist das in Göttingen beinahe mein täglich Brot! Als wir dann auf dem Rückweg waren, hatten wir alle das Gefühl zu verhungern. Und anders als in Deutschland gibt es hier keine "Dönermeile", die die hungrigen Studenten auch noch um 03.00 Nachts und später mit Nahrung versorgt. So suchten wir im Internet verzweifelt (wirklich, wirklich verzweifelt!) nach einem Bringdienst, der noch geöffnet hatte und waren - Gott sei Dank - letztendlich auch erfolgreich. Wir zogen also ins Wohnzimmer meines Cottages weiter, spielten dort das Kinderspiel "Himmel und Hölle" und waren die glücklichsten Menschen auf der Erde, als wir um 3:00 Nachts endlich unsere (höchst gesunde...) Pizza genießen konnten. Leider heißt es heute wieder: Zum Alltag zurückkehren, arbeiten und Hausaufgaben machen. Aber nächstes Wochenende steht dann Chicago an, worauf ich mich schon wie wild freue. Howdy!

Freitag, 16. September 2016

Fragen, die mir immer wieder gestellt werden

Was ist der extremste (negative) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Ganz klar: Das Öffentliche-Verkehrsmittel-System!
Am meisten beeinträchtigt mich, dass man hier ohne Auto wirklich abgekapselt von der Welt außerhalb des Campus ist. Während man in DE selbst auf dem Land immer irgendeine Möglichkeit findet, in den nächsten Ort oder die nächstgrößere Stadt zu gelangen, existiert diese Möglichkeit hier nun mal überhaupt nicht. Klar, es gibt einen Zug nach Grand Rapids und auch nach Chicago. Aber diese Züge fahren nur einmal am Tag und zwar zu Zeiten, die es unmöglich machen, einen Tagestrip zu machen. Es gibt auch einen Bus, aber mit dem kommt man leider auch nicht viel weiter als zu Fuß! Ich denke, dass es wunderschön ist, so viel Natur um sich zu haben, aber ich fände es schön, wenn ich diese auch mal erkunden könnte - Das war mir bisher noch nicht möglich, da ich nun mal kein Auto habe.

Was ist der extremste (positive) Unterschied zwischen den USA & Deutschland für dich?

Was ich hier sehr schätze, ist der sehr persönliche Umgang mit den Studenten am Hope College. Ich denke, dass die Einzelkämpfer-Mentalität in Deutschland manchmal etwas überhand nimmt. Wenn ich in Deutschland mit meinen Hausaufgaben zum Professor gehen würde, um Hilfe zu beanspruchen, würde das nicht wirklich gut ankommen und einem vielleicht sogar als negativ angerechnet werden, weil man nicht selbstständig arbeitet. An sich finde ich es zwar gut, dass man in Deutschland seinen eigenen Weg finden darf und muss, aber wenn man etwas gar nicht versteht, ist es bei uns eher die Regel, einen privaten Nachhilfelehrer zu suchen. Hier kann man sogar mit kleineren Fragen zum Prof. gehen und er heißt einen gern willkommen. Auch das Interesse am Privatleben ist hier viel größer. Wenn man grade sehr im Stress ist, sind die Professoren dazu bereit, das zu berücksichtigen. In Deutschland hingegen kennen die Dozenten oft nicht mal die Gesichter ihrer Studenten.
Ich - für mich persönlich - komme mit dem deutschen System wohl trotzdem besser klar, weil ich gerne meine eigene Ordnung und Zeitplanung habe, aber ich bewundere das Angebot jederzeit Unterstützung bekommen zu können am Hope College!


Was machst du in den Semesterferien, wenn alle nach Hause fahren?

Während alle anderen internationalen Studenten über Weihnachten (4 Wochen) zurück ins Heimatland fliegen, plane ich die Zeit zum Reisen zu nutzen.
Auf dem Campus kann ich jedenfalls nicht bleiben, weil man das College über die Semesterferien verlassen muss. Abgesehen davon, wäre es hier im Winter, wenn niemand hier ist, noch einsamer. :D Ich werde wohl in ein wärmeres Gebiet fliegen, also entweder den Süden der USA bereisen oder durch Südamerika backpacken. Allerdings ist letzteres eher für nächstes Jahr geplant. Mal schauen - es wird auf jeden Fall ein ganz ungewöhnliches Weihnachten für mich. ;)


Ist es sehr schwierig, in den USA vegetarisch zu leben?

Ehrlich gesagt sind die Speisepläne hier tatsächlich nicht so gut auf vegetarische oder gar vegane Ernährung eingestellt. Natürlich ist es möglich, sich hier fleischlos zu ernähren. Besonders in den Dining Halls des Colleges klappt das gut, weil hier zu jeder Mahlzeit jeweils mindestens ein veganes und ein vegetarisches Gericht angeboten wird.
Allerdings ist das wirklich nicht überall so. Als ich in New York mit ein paar Freunden in einem Diner war, habe ich in die Karte geschaut und in jedem Gericht, sogar in den Salaten, war Fleisch enthalten. Auf meine Frage, ob irgendein vegetarisches Gericht angeboten würde, sagte der Mitarbeiter höchst verunsichert "Well, I could take the meat out of the burrito, I guess...". Die Ernährung hier dreht sich auf jeden Fall sehr viel mehr um Fleisch, als ich es aus Deutschland kenne. Allerdings bin ich auch froh, dass ich mich so oder so vegetarisch ernähre, weil die Amerikaner (Klischee bedient!) generell dazu neigen, die meisten Gerichte fettiger zuzubereiten, als es nötig wäre. Somit ist mit dem frittierten Gemüse eigentlich schon für alles gesorgt. ;)

Denkst und träumst du auf deutsch oder englisch?

Ganz unterschiedlich. Wenn ich über Dinge bezüglich des Colleges nachdenke, denke ich eigentlich immer auf englisch. Aber nach deutschen Telefonaten oder dem Deutschunterricht, den ich gebe, passiert es mir oft, dass ich Amerikanern auf deutsch antworte, oder sie sogar so anspreche, weil ich grade so auf Deutsch fokussiert war. Generell fällt mir das Hin-und-Her-Wechseln zwischen den beiden Sprachen echt schwer. Da es einige Studenten und Professoren an der Uni gibt, mit denen ich nur auf deutsch reden soll und der Rest natürlich nur englisch versteht, muss ich mehrmals am Tag spontan umswitchen, manchmal sogar innerhalb einer Konversation, wenn sich Amerikaner dazu gesellen. Ich bin also praktisch den ganzen Tag verwirrt :D
Ich würde aber sagen, dass ich größtenteils mittlerweile auf englisch denke, was wohl ganz normal ist, wenn einen diese Sprache den ganzen Tag umgibt. Es kommt sogar immer öfter vor, dass mir deutsche Wörter für einen Moment entfallen, oder ich automatische englische Wörter benutze, wenn ich auf deutsch rede. Beim Träumen ist mein Schlaf-Ich bisher offensichtlich ganz pragmatisch: Amerikaner reden englisch, Deutsche reden deutsch.


Könntest du dir vorstellen für immer in den USA zu leben?


Ich glaube, ich bin emotional viel zu abhängig von meiner Familie und von meinen Freunden in Deutschland, um irgendwann mal auszuwandern. Aber wenn ich es tun würde, dann würde ich es nur machen, wenn ich in einer großen und internationalen Stadt wie New York oder Washington leben könnte. Ich denke ein ländlicher Ort wäre mir zum einen zu dezentral und zum anderen würde mir der Stellenwert von Religion irgendwann zur Last fallen. Ich könnte mir einfach nicht vorstellen, für immer an einem Ort zu leben, an dem man ohne Auto keinen Supermarkt und keinen größeren Ort erreichen kann. Ich finde auch einfach, dass man bemerkt, dass die USA einfach ein noch sehr, sehr junges Land sind, welches ganz schnell aufgebaut wurde. Die Wohngebiete sehen generell alle sehr ähnlich aus, weil die Straßen und Häuser in Blocks eingeteilt sind und die Häuser scheinen auch größtenteils nach einem Muster gebaut zu sein. Da ich aber ganz begeistert davon bin, wenn eine Umgebung bunt und durchmischt ist und man viel Geschichte, Kunst und Kultur in einem Land finden kann, würde mir dieser Teil hier auf Dauer wohl fehlen.
In Großstädten sähe das, wie gesagt, vielleicht anders aus. Ich habe aber natürlich auch einen ziemlich eurozentristischen Blick und habe hier jetzt gerade einmal 1,5 Monate verbracht. Ich denke, wenn ich komplett in den USA studieren würde, dann müsste ich eine Reihe persönliche Lösungen für mich finden, zum Beispiel schon allein was Ernährung angeht. Mir fiele es sonst einfach zu schwer, dass das meiste frittiert ist und zum Beispiel Wasser ein so unübliches Getränk ist, dass man am Getränkespender erst einmal danach suchen muss. Das gleiche gilt auch für Umweltschutz. Mir ist Recycling und ein gewisses Bewusstsein für Verschwendung einfach relativ wichtig. Hier ist die Verwendung von Plastik wirklich überdimensional. Recycling gibt es zwar, aber das bedeutet eben, dass es neben dem Restmüll einen gelben Sack gibt, in den Glas, Plastik, Papier und alles andere was man so weiterverwenden kann, geworfen werden. (Am Anfang war ich echt überfordert, was ich überhaupt mit meinem Müll anstellen soll! :D)

Mit alldem könnte ich für eine unglaublich tolle Karrierechance oder einen anderen wirklich guten Grund aber wohl noch gut zurechtkommen. Allerdings merke ich hier jeden Tag aufs Neue, das ich eigentlich gar nicht für immer ohne meine Leute und Familie sein will. Deshalb würde es wohl bereits daran scheitern.




Sonntag, 11. September 2016

21!

Jeder, der mich kennt, weiß: Was Geburtstage angeht, bin ich wie ein kleines Kind. Schon Wochen vorher habe ich Vorfreude im Bauch, plane meine Feier und weiß genau, was ich anziehen werde und welchen Kuchen es geben soll. Am Abend vorher bin ich aufgeregt und an meinem Geburtstagsmorgen wache ich in der Regel mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einem Hüpfen im Herzen auf. Dieses Jahr war alles anders: 
Die Geburtstags-Crew
Als mein Morgens-Ich aufwachte und sich noch in einer nicht-irdischen Dimension befand, wusste ich, dass heute irgendwas war. Als ich auf mein Handy schaute, war ich wieder im Hier und Jetzt angekommen. Da es in Deutschland schon Nachmittags war, befanden sich unzählige Geburtstags-Nachrichten von liebsten Menschen auf meinem Handy. Und ich gehöre zu den Menschen, die sich über jede Nachricht einzeln freuen. (Danke nochmal, ihr da draußen!) Als ich mich dann noch ein Mal (na gut, vielleicht auch zwei... oder drei... na gut, 4 Mal!) im Bett umdrehte und dem Aufwachen eine zweite Chance gab, lief es besser. Ich wachte also nochmal auf, dieses Mal mit einem Geburtstagsgefühl im Bauch und einem Grinsen im Gesicht. Als ich dann mit Familie und Freunden skypte, überkam mich Heimweh. Meine Familie saß am Esstisch beim klassischen Vehling-Geburtstagskaffee und ich konnte nicht dabei sein. Dann also Do-it-yourself! Fest entschlossen, mir einen schönen Tag zu gönnen, machte ich mir selbst ein Geburtstagsfrühstück aus Oat Meal und Obst und gab mir ganz besonders viel Mühe dabei, mich fertig zu machen. 
Birthday-Cupcakes!
Perfektes Geburtstagswetter :)
Da ich mich bisher eher zurückhaltend in der WG hier verhalte, hatte ich dann fast ein bisschen Angst, spezielle Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Sorge stellte sich dann aber als unbegründet heraus, da ich so oder so fast allein im Haus war. Das International-Programm bringt einem hier Kuchen zum Geburtstag vorbei, der von älteren Damen gebacken wird, die Lust haben, Fremden eine Freude zu machen. Ich hatte also für 15:00 Uhr nicht nur meine WG zu einem kleinen Get-Together und Kuchen eingeladen, sondern mich dazu entschlossen, einfach alle möglichen Leute, die ich flüchtig kenne, zu fragen, ob sie vorbei schauen wollen. Und was erwartet eine Deutsche, wenn sie Leute um 15:00 einlädt? Genau - dass diese pünktlich sind. Da saß ich also um 15:00 und wartete (ohne Kuchen). Um 15:15 wurde es dann langsam komisch (auch ohne Kuchen). Um 15:30 versank ich (ohne Kuchen) im Selbstmitleid. Das Kuchenprogramm gilt, wie ich später herausfand, nur für Geburtstage, die nicht am Sonntag sind. Die Menschen hier kommen, wie ich später herausfand, irgendwann ab 15:00, wenn man 15:00 sagt. 
Asiatisches Essen, Downtown

Ein Glück, dass die Leute dann doch alle noch langsam eintrudelten und es ein 
überraschend schöner Nachmittag wurde. Eine Freundin von mir backte sogar Cupcakes für mich! Ich bekam auch super liebe Geschenke (was mir aber echt unangenehm war, weil ich das nicht erwartet hatte). Mein Favorit darunter waren dicke Socken, die ich von meiner lieben amerikanisch-koreanischen Mitbewohnerin bekam, weil sie bemerkt hatte, dass ich immer die dicken Socken, die ich jedes Weihnachten von meiner Oma bekomme, trage - ich hatte ihr auch erzählt, dass ich nicht genug Stricksocken mitgebracht habe und diese jetzt schrecklich vermisse! :D 
Für warme Füße ist jetzt
auch ohne Omas
Socken gesorgt!
Abends ging ich dann noch mit den beiden Teaching Assistants aus Frankreich und Spanien asiatisch essen. Wegen des perfekten Geburtstagswetters konnten wir sogar draußen sitzen. Ich war stolz, als wäre ich grade 16 geworden, als ich meinen ersten Wein in den USA bestellte. Als die Kellnerin nach meinem Ausweis fragte, wurde daraus aber leider doch nichts, weil ich meinen Ausweis natürlich zu Hause liegen lassen hatte. Congratulations, Lea!

Wir stießen dann also mit einer unschuldigen Cola Light an und haben somit jetzt einen Grund mehr, nächstes Wochenende Abends auszugehen und meinen ersten legalen Vino in den USA zu zelebrieren! Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich jetzt alle Rechte habe, die man in den USA so haben kann. Auch, wenn ich mein zu Hause heute ganz besonders vermisst habe, bin ich froh, dass ich so eine tolle Familie und so viele liebe Freunde habe, die an mich gedacht haben! Letztendlich ist Geburtstag auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans eben auch nur ein Tag, der dich ein Jahr älter werden lässt.




Freitag, 9. September 2016

Leben und Lernen am Hope College

Seitdem die Kurse am College losgegangen sind, gefällt es mir immer besser. Obwohl hier jeden Tag Hausaufgaben anstehen, die man dann am nächsten Tag abgeben muss und welche auch benotet werden... Ich muss aber gestehen, dass es viel bringt, um in der Thematik mitzukommen. Die Betreuung der Studenten ist hier auch viel persönlicher. Wenn du Fragen zum Unterricht oder zu den Hausaufgaben hast, setzt sich der Professor noch am selben Tag mit dir hin und geht den Inhalt nochmal mit dir durch. Trotzdem fühle ich mich manchmal in meiner Selbstständigkeit "beraubt", weil ich es gewohnt bin, alles für mich selbst zu klären. Hier steht man viel mehr unter der Beobachtung der Professoren, ist zum Einkaufen auf die Shuttles des Colleges angewiesen und hat einen "Leiter" in der WG. Während das Studium an der Uni Göttingen "Studium=Selbststudium" bedeutet, ähnelt das Studium am Hope College (bzgl. der Struktur) eher unserem Oberstufenunterricht.
Welcome to Fried Cottage. Hier lebe ich.

Ich belege dieses Semester drei Kurse: Atmosphere and Environmental Change, ein Projektseminar, in welchem man ein Umweltproblem untersuchen soll und British Literature. Des Weiteren arbeite ich für das "Department of Modern and Classical Languages" als Teaching Assistant und beschäftige mich mit den Deutschstudenten des Hope Colleges. 
Meine Aufgabe ist es, Kurse zu geben, in denen die Studenten in deutsche Konversationen verwickelt werden. Thema kann dabei alles mögliche sein, was Kultur und Geschichte Deutschlands angeht. Für meinen Job habe ich sogar ein eigenes Büro, das ich mir mit einem französischen Mädchen teile, die den gleichen Job für das French Department macht! Das ist natürlich nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Lernen echt cool.
Außerdem helfe ich dem leitenden Deutschprofessor des Colleges dabei, ein audiovisuelles Vokabel-Lernprogramm zu gestalten. Das klingt alles gar nicht so viel, aber der Arbeitsaufwand ist so hoch, dass man eigentlich von morgens bis abends beschäftigt ist.
Da das öffentliche Verkehrssystem hier aber quasi non-existent ist, ist man eh recht stark an den Campus gebunden, sodass es auch gar nicht so viele Möglichkeiten gibt, seine Freizeit zu gestalten.
Zwar wohne ich in einer Stadt ("Holland"), aber diese "Stadt" ist genau eine Straße lang (das meine ich tatsächlich ernst) und hat weder Supermarkt, noch eine richtige Busanbindung, noch ein sonstig großes Angebot. Wegen seines niederländischen Erbes hat die Stadt allerdings viele Touristenshops, Restaurants und Bars. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, mir diese Bars mal genauer anzusehen, wenn ich endlich 21 bin!
Ich wohne hier gemeinsam mit 7 weiteren Mädels in einem Cottage auf dem Campus. Das Zusammenleben ist bisher leider noch hauptsächlich ein Aneinander-Vorbei-Leben, aber ich merke Tag für Tag, wie wir uns mehr aufeinander einstellen. Meine Mitbewohnerinnen sind zum Glück alle nett! :) Aber generell habe ich das Gefühl, dass es hier schwierig ist, Leute richtig kennenzulernen. Vielleicht liegt es daran, dass es in Amerika einfach dazu gehört, dass alle Leute super freundlich zueinander sind und ich das als Deutsche (:D) gar nicht so gewöhnt und deshalb verwirrt bin!
Mein Büro


Es gibt schon viele große Unterschiede zu Deutschland. In guten wie in schlechten Hinsichten. Ich genieße hier zum Beispiel sehr, wie weitläufig alles ist, umgeben von wunderschönen Landschaften. Auch das Angebot an Veranstaltungen des Colleges gefällt mir. Außerdem bietet der Literaturunterricht hier viel mehr Raum für Diskussionen, was ich mir für Deutschland auch wünschen würde!
Ich finde es auf jeden Fall trotzdem lustig, dass man so oft hört, dass die USA ähnlich zu Deutschland wären, weil beide westliche Länder seien. Das empfinde ich nämlich kein bisschen so - für mich sind die Kulturen ganz verschieden!
So sieht mein Zimmer mittlerweile aus:
Make a living, make a home!

Es gibt hier eben viele Dinge nicht, die es in Deutschland gibt und die ich deshalb vermisse. Dazu gehören nicht nur deutsche Schokolade, deutsches Brot und Club Mate, sondern auch meine Familie und meine Freunde. ;) 

Nein ernsthaft: Ich wusste bereits vorher, dass ich meine Leute echt mag, aber jetzt weiß ich es wirklich! Auch wenn es insgesamt nicht mal ganz 10 Monate sind, fehlen mir meine Familie und Freunde oft. Besonders dann, wenn man Bilder oder Videos empfängt, die einem zeigen, wie schön es zu Hause sein kann. Aber man will wohl immer das, was man gerade nicht haben kann. Ich weiß schließlich noch genau, wie sehr ich dieses Stipendium haben wollte und ich bin auch sehr dankbar, es bekommen zu haben! Und letztendlich wachse ich hier Tag für Tag ein bisschen darin, mich selbst zu überwinden und mich an fremde Umgebungen anzupassen! Ich freue mich allerdings riesig darauf, dann endlich 21 zu werden und eine "richtige" Erwachsene in den USA zu sein! :D